Volksbegehren hat große Chancen
Kriminelle Ausländer abschieben
Die Schweizer stimmen am Sonntag darüber ab, ob die Abschiebung von kriminellen Ausländern künftig strenger als bisher vollzogen wird. Das Volksbegehren der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei hat bei den Stimmbürgern gute Chancen, obwohl es internationalen Gepflogenheiten und auch der Menschenrechtskonvention widerspricht.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 27.11.2010
Simple Botschaft
Das Volksbegehren sieht vor, dass kriminelle Ausländer künftig bei bestimmten Straftaten automatisch und ohne Rücksicht auf die Schwere des Delikts ausgewiesen werden. Unterstrichen wird die Forderung mit einem Plakat, das man bereits vom letzten Schweizer Parlamentswahlkampf vor drei Jahren kennt: das berühmt-berüchtigte Schafplakat der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Nun prangt es wieder an zahllosen Hauswänden und auf Werbeflächen und zeigt, wie ein schwarzes Schaf von einem weißen aus der Schweiz geworfen wird. Die Botschaft ist simpel: Kriminelle Ausländer haben in der Schweiz nichts verloren.
"Abschiebung würde abschrecken"
Es herrschten unhaltbare Zustände im Land, schimpft der Chefstratege der SVP, Christoph Blocher. Zu viele Ausländer, 50 oder gar 60 Prozent, seien kriminell: "Körperverletzungen, Vergewaltigungen und so weiter." Schweizer Gefängnisse wären nicht abschreckend, die Drohung mit der Ausweisung hingegen schon, so Blocher. Schon heute könnten die Behörden verurteilte Kriminelle abschieben, sie täten es aber oft nicht, kritisiert die SVP und verspricht, dass bei einem Ja zu ihrem Volksbegehren künftig 1.500 kriminelle Ausländer anstatt wie heute nur 400 pro Jahr die Schweiz verlassen müssten.
Gemäßigter Gegenvorschlag
Konkret will die SVP, dass auf bestimmte Straftaten wie Raub, Mord, aber auch bei Sozialhilfemissbrauch die automatische Abschiebung folgt. Doch dieser Automatismus ohne Prüfung des jeweiligen Einzelfalles widerspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention. Daher kämpfen vor allem die bürgerlichen Mitteparteien für einen gemäßigteren Gegenvorschlag zum SVP-Volksbegehren. Auch dieser Gegenvorschlag will kriminelle Ausländer konsequenter als bisher abschieben, allerdings unter Beachtung internationaler Grundrechte, sagt Carmen Walker Späh von der Freisinnig-Demokratischen Partei.
"Keine Sonderjustiz"
Gegen jegliche Gesetzesverschärfung bei der Abschiebung von ausländischen Kriminellen sind die Linksparteien. Sowohl das Volksbegehren der SVP als auch der gemäßigte Gegenvorschlag des Parlaments würden eine Sonderjustiz für Ausländer begründen, sagt Marlies Bänziger von den Grünen. Sie wendet sich gegen eine "unfaire Diffamierung und Ausgrenzung eines Viertels der Bevölkerung unter dem Generalverdacht der Kriminalität."
Mehrheit sagt Ja
Damit kämpfen die Linksparteien jedoch auf verlorenem Posten. Laut Umfragen dürfte die Mehrheit der Schweizer Ja zum Abschiebungs-Volksbegehren der SVP sagen. Und damit nur ein Jahr nach der Abstimmung über ein Minarett-Verbot wieder eine Bestimmung in der Verfassung verankern, die internationalen Grundrechten widerspricht.