Nach der "Ausschaffungs"-Entscheidung

CH: Probleme mit Völkerrecht

Kriminelle Ausländer müssen künftig nach ihrer Verurteilung bei schweren Delikten die Schweiz verlassen - das ist das Ergebnis der jüngsten Volksabstimmung. Die automatische Abschiebung von kriminellen Ausländern könnte aber Völkerrecht und internationale Abkommen, die die Schweiz abgeschlossen hat, verletzen.

Mittagsjournal, 29.11.2010

Schweiz in der Klemme

Nach der Volksabstimmung in der Schweiz ist in der Eidgenössischen Bundesverfassung verankert: künftig müssen kriminelle Ausländer, die bestimmte Straftaten begangen haben, automatisch abgeschoben werden, ohne nähere Prüfung ihres Falles und ohne Rücksicht auf die Schwere der Tat. Nun müssen Regierung und Parlament das entsprechende Volksbegehren der rechtsnationalen SVP umsetzen. Das dürfte nicht leicht werden, denn die automatische Abschiebung von kriminellen Ausländern könnte Völkerrecht und internationale Abkommen, die die Schweiz abgeschlossen hat, verletzen.

Gesetzgeber am Zug

Klar ist seit gestern nur eines: die Mehrheit der Schweizer will von kriminellen Ausländern nichts mehr wissen. Sie sollen so schnell wie möglich und kompromisslos ausgewiesen werden. Gar nicht klar ist hingegen, welche Straftaten genau unter die neue Verfassungsbestimmung fallen und vor allem, wie das Volksbegehren der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei in die Praxis umgesetzt werden kann. Was die konkreten Straftaten angeht, die die automatische Ausweisung aus der Schweiz zur Folge haben sollen, hat die SVP im Text des Volksbegehrens nur einige aufgeführt: darunter Mord, Raub, Drogenhandel, Einbruchdiebstahl oder auch Sozialhilfemissbrauch. Den genauen Katalog der Straftaten muss nun der Gesetzgeber bestimmen.

Nicht rechtskonform

Ebenso am Parlament liegt auch die Ausarbeitung der konkreten Durchführungsgesetze für das Volksbegehren. Fünf Jahre hat es dafür Zeit. Die Debatten dürften hitzig werden, denn das SVP-Volksbegehren ist so, wie es die Partei und nun auch das Stimmvolk wollen, nicht rechtskonform umsetzbar. Rechtlich heikel ist der Automatismus bei den Abschiebungen, den das Volksbegehren einführen will. Er würde bedeuten, dass ein kleiner Ladendieb genauso abgeschoben würde wie ein Millionenräuber. Dies widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit in der Schweizer Verfassung.

Doch auch internationales Recht wie die UNO-Kinderschutzkonvention oder die Europäische Menschenrechtskonvention könnte durch das Begehren verletzt werden, etwa wenn Familien auseinander gerissen werden. Deshalb hat Justizministerin Simonetta Sommaruga angekündigt, in Zusammenarbeit mit der SVP das Volksbegehren so umsetzen zu wollen, dass es rechtskonform ist, sowohl in der Schweiz als auch international.
Doch dies dürfte nicht einfach werden.

SVP gestärkt

Die rechtskonservative SVP fühlt sich einmal mehr durch den Abstimmungs-Sieg in ihrem Anti-Ausländer-Kurs bestärkt und will- wenn überhaupt - nur kleine Abstriche an ihrer Abschiebungs-Volksinitiative akzeptieren. Dazu der SVP-Abgeordnete Ulrich Schlüer: es gebe kein Völkerrecht, dass einem Kriminellen zubilligt auszuwählen in welchem Land er gerne ist.
Über die automatische Abschiebung von kriminellen Ausländern dürfte in der Schweiz also auch nach dem gestrigen Urnengang heftig gestritten werden. Klar ist jedoch, dass das Volksbegehren kaum umsetzbar sein wird, wenn in der konkreten Gesetzgebung die rechtlich heiklen Spitzen nicht gebrochen werden.