Hürdenlauf muss nicht sein

Barrierefreies Webdesign

Menschen mit Behinderungen stoßen nicht nur im realen Leben auf nahezu unüberbrückbare Hindernisse, auch im virtuellen Raum werden sie diskriminiert. Unglückliche Farbkombinationen bei Webseiten stellen für Menschen mit Sehbehinderungen oft Barrieren dar.

Während öffentliche Stellen und Behörden prinzipiell dazu verpflichtet sind, ihre Webauftritte auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen, bilden private Websites noch die Ausnahme. Um dies zu ändern, hat das vom Weberfinder Tim Berners-Lee gegründete World Wide Web Consortium (W3C) spezielle Richtlinien zusammengestellt, die Web-Designern bei der Erstellung offener Seiten helfen sollen.

Das Web ist nicht für alle zugänglich

Vor einem Jahr präsentierte das Videoportal YouTube ein neues Feature namens "Automatic Captions". Per Spracherkennungstechnologie sollen Untertitel automatisch erstellt und anschließend in mehr als fünfzig verschiedene Sprachen der Welt übersetzt werden.

Obwohl die Technologie noch auf wackeligen Beinen steht, hatte die Nachricht Signalwirkung. Mit dem neuen Dienst wendet sich die Plattform an eine ihrer wichtigsten Nutzergruppen: an taube und gehörbehinderte Menschen. Denn sie konsumieren nicht nur auf YouTube, sondern nutzen es als Kommunikationsmedium. Indem sie sich selbst mit Gebärdensprache filmen, die Videos hochladen und von Freunden und Bekannten Antworten bekommen.

Doch obwohl sich YouTube auch als private Kommunikationsplattform für gehörlose Menschen zu eignen scheint, der Großteil der Informationen im Web ist für viele Menschen mit Behinderungen nicht zugänglich. Um das Web möglichst allen Menschen unabhängig von Hard- oder Software, Sprache, Kultur, körperlicher und geistiger Verfasstheit zu öffnen, rief der Weberfinder Tim Berners Lee Ende der 1990er Jahre die Web Accessibility Initiative ins Leben.

Dabei handelt es sich um eine Unterorganisation des World Wide Web Consortiums, das Standards für das WWW entwirft. "Dass Webseiten barrierefrei sind, muss man ihnen nicht zwangsläufig ansehen", meint die Koordinatorin der Web Accessibility Initiative Shawn Henry, und wiederspricht damit dem Vorurteil, dass zugängliche Webseiten vor allem durch unansehnliches Design auffallen würden.

"Ein wichtiger Bestandteil von Barrierefreiheit liegt erstens im Code, hat also keinen Einfluss auf die Gestaltung. Der andere Aspekt ist Flexibilität", so Henry. "Das heißt, die Webseite schaut je nach Bedürfnis des Users anders aus. Wenn jemand zum Beispiel schlecht sieht, seine Brille zerbrochen oder seine Kontaktlinsen verloren hat, kann er oder sie den Text vergrößern."

Webcontent Accessibility Guidelines

"Anders als im physischen Raum, wo Barrierearmut hauptsächlich bedeutet, dass Rampen, Lifte oder Leitsysteme für Blinde in Gebäude oder den öffentlichen Raum integriert werden, ist Barrierearmut im virtuellen Raum ungleich komplexer", sagt Shawn Henry. Schließlich müsse man auf ganz unterschiedliche Bedürfnisse eingehen.

Für Webdesigner und Programmierer haben Shawn Henry und ihr Team die sogenannten Webcontent Accessibility Guidelines herausgegeben, die detailliert auflisten wie eine barrierefreie Seite funktionieren und aussehen muss. Die Trennung von Inhalt und Design und die Skalierbarkeit des Inhalts der gesamten Seite gehören zu den wichtigsten Kriterien. Dazu gehört auch die Vermeidung fixer Schriftgrößen, die Einbindung von Alternativ-Texten für Grafiken, Bilder und Objekte und das Vermeiden von Layout- und Funktionserweiterungen, zu denen auch Plug-Ins zählen.

Österreich liegt im Durchschnitt

Obwohl die erste Version des Kriterienkatalogs bereits vor mehr als zehn Jahren herausgekommen ist, sind laut einer Studie der europäischen Kommission aus dem Jahre 2007 nur ungefähr fünf Prozent aller Webseiten barrierefrei. Und das obwohl rund zehn Prozent der Weltbevölkerung an einer Behinderung leiden. Tendenz steigend.

Ein wenig verbessert habe sich die Lage in den letzten Jahren schon, meint Shawn Henry. Besonders aufgrund der veränderten Gesetzeslage in vielen Ländern. In Punkto Barrierefreiheit sind in Europa die nordischen Länder und Großbritannien, Vorreiter. Österreich liegt im europäischen Durchschnitt. Laut dem E-Governmentgesetz aus dem Jahre 2004 und dem Behindertengleichstellungsgesetz müssen Informationen und Dienstleistungsangebote der öffentlichen Verwaltung für Menschen mit Behinderung zugänglich sein.

Jeder profitiert von barrierefreien Webseiten

Angesichts der Tatsache, dass Behinderungen zunehmen, da es immer mehr ältere Menschen mit Seh- und Hörschwächen gibt und geben wird, macht der Abbau von Barrieren im virtuellen Raum Sinn, meint Shawn Henry.

Von barrierefreien Webseiten, von einem barrierearmen Web können schlussendlich alle profitieren, auch Menschen ohne Behinderungen. Von verständlichen, gut lesbaren Texten genauso wie vom Umstand, dass barrierefreie Webseiten von Suchmaschinen besser gefunden werden. So seien viele Dinge auf die wir im Alltag wohl nicht verzichten möchten Errungenschaften von oder für Menschen mit Behinderungen.

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