Oppositionsführer verhaftet

Weißrussland: Widerstand gebrochen?

In Weißrussland ist es dem Regime von Präsident Alexander Lukaschenko mit einer Verhaftungswelle offenbar gelungen, jeden Widerstand zu brechen. Dienstagabend wagten sich nur einige Dutzend Demonstranten auf den Oktoberplatz im Zentrum von Minsk, und erneut gab es Festnahmen.

Morgenjournal, 21.12.2010

Sieben Gegenkandidaten in Haft

"Liebe Leser unserer Homepage: Alle unsere Mitarbeiter wurden festgenommen, daher könne wir nicht mehr so berichten wie früher". Das steht auf der Internetseite der Oppositionsbewegung Charta 97. Sieben der neun Gegenkandidaten von Alexander Lukaschko sind in Haft und nicht nur sie, sondern offenbar auch ein Großteil ihrer Mitarbeiter. Inländische und auch ausländische Journalisten wurden festgenommen oder verletzt. Unter diesen Umständen ist es fast ein Wunder, dass gestern Abend etwa 30 junge Leute auf den Unabhängigskeitsplatz in Minsk demonstrieren wollten. Sie wurden sofort von Angehörigen der Sicherheitskräfte angegriffen, verprügelt und abgeführt.

Kritik an Wahlbeobachtern

Präsident Alexander Lukaschenko ist Dienstagabend im Fernsehen aufgetreten und hat - offenbar handverlesene - Fragen des Publikums beantwortet. Erneut hat er dabei die Opposition als Banditen bezeichnet, die Sicherheitskräfte seien sehr maßvoll vorgegangen, und wenn ein Demonstrant einen Schlagstock auf den Kopf bekommen habe, sei das ein geringeres Übel. Lukaschenko hat auch die ausländischen Wahlbeobachter kritisiert und ihnen doppelte Standards bei der Bewertung der Wahl vorgeworfen: "Gestern haben wir gemeinsam mit Millionen anderer weißrussischer Bürger eine Prüfung vor der Geschichte abgelegt, und wir haben sie ehrenhaft bestanden, ich wiederhole, ehrenhaft. Wir haben alles dafür getan, dass das wichtigste politische Ereignis offen und ehrlich abgelaufen ist und genau den Gesetzen unseres Landes entsprochen hat."

"Signal zur Haltungsänderung an die EU"

Das Ausland sieht die Ereignisse der letzte Tage deutlich anders: Die EU-Kommission und das US-State-Department haben die Wahlfälschungen und die folgende Verhaftungswelle deutlich kritisiert, auch der österreichische Außenminister Spindelegger hat die Ereignisse verurteilt. Der Präsident des Nachbarlandes Polen, Bronislaw Komorowski, fasste die Lage so zusammen: "Wir hatten gewisse Hoffnungen in Bezug auf den Demokratisierungsprozess in Weißrussland, stehen jetzt aber vor der unangenehmen Situation, dass die Konflikte im Land zunehmen. Ich denke, es ist ein Signal an viele Länder der Europäischen Union, dass die Strategie der EU gegenüber Weißrussland geändert werden muss."

Bei vielen der Sonntagnacht Verhafteten ist immer noch unbekannt, wo, unter welchen Bedingungen und aufgrund welcher Beschuldigungen sie festgehalten werden.