Gespräch mit der Oppositionsführerin

Aung San Suu Kyi: Friedlich zur Demokratie

Aung San Suu Kyi war und ist die Ikone der burmesischen Demokratiebewegung im heutigen Myanmar. Sie hat 16 der letzten 20 Jahre entweder im Gefängnis oder unter Hausarrest verbracht. Seit 13. November ist sie frei und kann sich auch frei bewegen. Raoul Kirschbichler hat sie telefonisch in ihrem Haus in der University Street in Yangon erreicht.

Morgenjournal, 24.12.2010

Raoul Kirschbichler

Diszipliniertes Leben

Aung San Suu Kyi ist frei Seit knapp fünf Wochen. Und wer sich nach ihrem Wohlergehen erkundigt, bekommt eine kurze Antwort: "Ein bisschen müde, aber sonst gut." Sieben Jahre durchgehend Hausarrest waren prägend und hart zugleich. Doch die "Lady", wie sie vom Volk genannt wird, ist ihrem Schicksal mit eiserner Disziplin und einem geordneten Tagesablauf begegnet: Wer ein diszipliniertes Leben führt kann alles meistern. "Ich hatte eine tägliche Routine, dabei waren die Wochenenden so etwas wie 'freie Tage'. So hatte ich am Wochenende ein wenig Ferien, da musste ich mich nicht an meine tägliche Routine halten." Das wichtigste war, informiert zu bleiben, und das ging nur durch radiohören, "weil ich mit dem Rest der Welt in Kontakt stehen musste. Um zu wissen was in Burma vor sich geht, hörte ich alle burmesischen Radiosender."

Fühlt sich sicher

Einer ihrer ersten Gäste, den sie auch persönlich vom Flughafen von Yangon abgeholt hat, war ihr Sohn Kim Aris, der in London lebt. Doch wo immer Aung San Suu Kyi auftaucht wird sie von Menschenmassen begleitet. So auch als sie mit ihrem Sohn auf dem Boyo Aung San Markt einkaufte. Trotzdem fühlt sich die Friedensnobelpreisträgerin sicher. Sie denkt nicht über ihre Sicherheit nach, erst wenn sie danach gefragt wird. Im Grunde sei die Regierung für die Sicherheit der Bürger verantwortlich

Wahlenthaltung "war richtig"

Im Jahr 1990 hatte die Partei von Aung San Suu Kyi, die "Nationale Liga für Demokratie" (NLD), die Parlamentswahlen mit 72 Prozent überlegen gewonnen. Doch die Militärjunta ignorierte das Ergebnis wie einen lästigen Betriebsunfall. An den Wahlen Anfang November, den ersten seit zwanzig Jahren, hatte die "Nationale Liga für Demokratie" nicht teilgenommen. Für Aung San Suu Kyi war das die richtige Entscheidung, eine Mehrheitsentscheidung der Partei.

Demokratie auf friedliche Weise

Faktum ist und bleibt aber, dass die Nationale Liga für Demokratie künftig keinen Einfluss auf die Politik haben wird. Die Macht war, ist und bleibt in den Händen der regierungsnahen "Union für Solidarität und Entwicklung" (USDP). Doch laut Aung San Suu Kyi geht es der Nationalen Liga für Demokratie nicht um Macht: "Warum sprechen wir über Macht? Die NLD versucht nicht Macht zu bekommen, sondern den Menschen zu dienen. Falls wir die Unterstützung der Menschen haben, ist das die Macht, die wir brauchen." Man werde das aber nur auf friedliche Weise erreichen:
"Demokratie erreichen wir indem wir Bewusstsein und ein Netzwerk von Menschen aufbauen, die beim Prozess der Demokratisierung helfen." Doch wann der Demokratisierungsprozess in Myanmar tatsächlich beginnen wird, kann heute niemand vorhersagen, sagt Aung san Suu Kyi.