Musik aus Müll

Wiederverwertete Klänge

Was unsereins achtlos wegwirft, kann man verwandeln - in bildende Kunst, Gebrauchsgegenstände, aber auch Musik. Ausgewählte Beispiele von Hans Tschiritsch und Kompost 3.

Skulpturen aus Kronkorken und Dosen, Accessoires aus Glasperlen, Halsketten aus leeren Nespresso-Kapseln. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Baumärkte, Spiel- und Bastelabteilungen und Flohmärkte dienen dabei als Fundgrube. Elektrische Geräte und Haushaltswaren werden umfunktioniert zu akustischen Objekten, entweder als Anreger für die traditionellen Instrumente oder selbst als Resonanzkörper. So geht es darum, den Materialbereich nochmals zu erweitern, um die Verfeinerung des Hörens und um Improvisation.

Neues Verständnis der Gegenwart

Eine der Begründungen für Komponierende, traditionelle Instrumente mit "musikfernem Material zu präparieren, oder mit Alltagsgegenständen gemeinsam spielen zu lassen, lautet: "Weil man von der Kunst Informationen für die Gegenwart erwartet - zu Recht." (Reinald Götz) Und von Christoph Ogiermann:"Alltag ist Reaktion, Kunst ist Aktion. Alltag als Beschaffungsmaßnahme für die besondere Zeit der Kunst."

Eine weitere Begründung ist die Bewusstseinswerdung. Matthias Kaul: "Bei meiner Komposition für Fahrrad und Pauke berichteten mir Konzertbesucher, dass sie bei ihren nächsten Radtouren ein völlig anderes Verständnis des Radelns für sich entdeckten. Viele Alltagsgegenstände bekommen durch den "Instrumentenstatus" auch eine Mehrwertigkeit im Alltag." (Zitate aus den Positionen Nr. 76)

Tschiritsch unplugged

Der in Wien lebende Intrumentenbauer und Musiker Hans Tschiritsch etwa hortet in seiner Wohnung im 8. Bezirk keine Klaviere und Geigen, sondern Monochord-Nudelwalker, Hupophon, Trichtergeigen. Tschiritsch spielt "unplugged", nur sein Klangstaubsauger braucht eine Steckdose. Weitere seiner Musikinstrumente nennen sich Singende Staubsauger, Klangpropeller, Badewannencello und Nähmaschinen-Obertondrehleier. Die Tonnenbassgeige ist ein Ölfass mit Cellohals, aus Lampenstangen, Abflussrohren, Mopedauspuffen. Seine neueste Konstruktion ist eine Tropfenorgel: "Zuerst habe ich mir gedacht, ich muss die Töpfe stimmen und den Rhythmus manipulieren, damit es spielt, wie ich will, doch dann bin ich draufgekommen, dass es am Schönsten ist - sowohl vom Rhythmus her, als auch vom Klang - wenn ich der Orgel sich selbst überlasse." Tschiritschs Lieblingstöpfe sind Zinkwannen - sie haben besonders weiches Metall. Außerdem arbeitet er mit verschiedenen Waschschüsseln, emaillierten Wannen und Schüsseln, Kupferschalen, einem chinesischen Gong und Tremolo.

Es lässt sich erkennen, dass Altes wohl vorhanden, aber neu und originell komponiert ist, dass zuerst der Gegenstand an sich, und dann die Musik da ist, dass Hörgewohnheiten nichts Unabänderliches sein müssen.
Flohmärkte und Container sind die Fundgruben für Hans Tschiritsch, doch Müll zu bekommen ist in Österreich gar nicht so einfach: "Früher hat es in den 1980er Jahren Mistplätze gegeben, doch die wurden leider eingestellt. Jetzt wird der Mist weggesperrt und es ist schwierig, Zugang zu einem Mistplatz zu bekommen."

Vom Umgang mit dem Müll könne man nicht nur auf den Wohlstand des Landes, sondern auch auf die Werte der Gesellschaft schließen.

Blühende Rosen von Kompost 3

Die Band "Kompost 3" bestehend aus vier jungen Musikern ist ein weiteres österreichisches Ensemble, das sich im weiteren Sinn mit Recycling auseinander setzt. Ihr Bandname "Kompost" komme vom Wort "komponieren". Und Musik komponieren sei ja das "Mischen" von verschiedenen Stimmen. Auf ihrer Facebook-Seite schreibt "Kompost 3": "Rosen wachsen am besten auf Kompost. Der progressive Jazz ebenfalls und das hoch 3!" Und wie sich auf einem Komposthaufen alles Mögliche findet, das als Dünger für die Pflanzen im Garten dient, findet sich in der Musik des Quartetts vieles, das in einer hochkreativen Mischung gärt. Direktheit und Authentizität lautet dabei das Credo von Martin Eberle (Trompete), Benny Omerzell (Keyboard), Lukas König (Schlagzeug) und Manu Mayr (Kontrabass).

Das Ensemble "Kompost 3" arbeitet auch mit Zusatzstoffen und -gegenständen, die schon auf ihrem Weg in den Müll waren. Lukas König verwendet unterschiedliche Dinge, die er vom Müll hat: Mülleimer, Deckel, Teller, Geschirr. "Gerne gebrauche ich ein Serviertablett, das extrem dünn ist und einen metallischen Klang erzeugt. Wenn man dies dann auf eine kleine Trommel legt, bekommt man einen synthetischen Sound." Manu Mayr benutzt China- und Metallstäbchen zum Kontrabassspielen und klemmt auch gerne Papierfetzen zwischen die Saiten. Außerdem wird die Trompete um Dämpfer und Saugglocke erweitert.

Service

Hans Tschiritsch
myspace - Kompost 3