Leben mit dem Kunstherz

Eine zweite Chance

Ursula Thurm ist eine der wenigen Patienten, denen bis jetzt ein Kunstherz implantiert wurde. Für sie bedeutete die Implantation, dem Tod von der Schippe gesprungen zu sein.

2008 "verbrennt" das Herz, wie die Mediziner sagen, von Ursula Thurm aus Baden-Würtemberg durch einen schweren Infarkt fast vollständig. Die Ärzte in den umliegenden Kliniken, in die sie nacheinander hastig verlegt wird, widersprechen sich bezüglich mach- und leistbaren Rettungsmaßnahmen, Operationen und Therapien, sind sich aber einig, dass kaum Überlebenschancen für sie bestehen.

Ursula Thurm erholt sich aber gegen alle Prognosen zusehends und freut sich über ihren bescheidenen neuen Frühling mit ihren knapp siebzig Jahren. Ist der Tod daher ein Fehler in der Welt? "Was soll das für ein Fehler sein?", entgegnet Thurm. "Man will doch nicht ewig dableiben. Grad wenn man älter wird und die Kräfte weniger werden; (...) das zu akzeptieren und sagen, aber ich bin so zufrieden, es geht mir gut, bis es dann mal eben auch zu Ende ist."

Die Zeit wird knapp

Ursula Thurm ist pensionierte Töpferin, Köchin aus Leidenschaft und passionierte Gärtnerin. Ein Jahr nach ihrem Infarkt verschlechtert sich ihr Zustand erneut rasch und massiv: Die Funktionen von Nieren, Leber und Hirn sind bereits erheblich gestört, eine medikamentöse Therapie ist nicht mehr möglich und die Wartezeit für ein neues Herz zu lang. Die einzige mögliche Lösung für sie: ein künstliches Herz.

Professor Doktor Ulrich Stock ist Kommissarischer Direktor und Herzchirurg an der Universitätsklinik Tübingen. Die Implantation des Kunstherzens, gedacht als dauerhafte Lösung, erstreckt sich über sechs Stunden und gilt als die erste erfolgreiche in dieser Klinik. "Ich hab' mich so Scheiße gefühlt, und die Aussicht, da ändert sich nichts mehr, das ist das Nonplusultra was ich kriegen kann..., so Thurm. "Aber ich weiß, dass ich da auch gefragt habe, warum bin ich jetzt eigentlich noch da?"

Titanpumpe als Rettung

Der Intensivpfleger Michael Schlotterer übernimmt Ursula Thurm unmittelbar nach ihrer der Operation auf der Intensivstation. Die ersten Wochen verbrachte sie im künstlichen Koma. Ursula Thurm kann sich an ihr Koma nicht erinnern: "Gar nichts, keine Stimme, kein irgendwie kurzes Aufwachen, kein Traum, gar nichts. Das hätt' ein Jahr dauern können, ich wüsste es nicht."

Die Herzpumpe, die Ursula Thurm eingesetzt worden war, ist ein "linksventrikuläres Unterstützungssystem", verrät die Schulungs-CD des Erzeugers. "Die Pumpe besteht hauptsächlich aus Titan und wiegt etwa 450 Gramm. Ein kleiner eingebauter Motor treibt die Pumpe an und sorgt ähnlich wie das gesunde Herz für Blutfluss." Das Gerät arbeitet fast geräuschlos - fast. "Sssss. Die tut nicht immer gleich laut, aber hauptsächlich im Bett", so Thurm. "Oder wenn die Bille schnurrt und bei mir im Arm liegt, dann ist es auch das Gefühl, wir machen beide das gleiche Geräusch."

Zwei Batterien muss Ursula Thurm immer bei sich tragen, entweder in Schulterhalftern unter den Armen oder in einer Tragetasche um die Hüfte. "Die Tasche war mir sehr unheimlich, weil ich hab' gewusst, wenn ich an dem Ding reiß', dann dauert's nicht lang, bis es vorbei ist."

Es geht aufwärts

Nach fünf Wochen im künstlichen Koma und anschließender Rehabilitation kehrt Ursula Thurm nach Hause zurück. "Ich habe vom ersten Tag an mein Süpple gekocht und da denke ich so oft dran, wenn man das wieder machen will, egal ob du es im Sitzen rührst, oder... dann geht's aufwärts. Meine Wäsche mache ich schon lange wieder alleine, ich kann sie auch wieder aufhängen, ganz langsam, - ne, ich muss es immer wieder sagen, ich bin ganz arg zufrieden."

Für unsterblich hält sie sich nicht, auch wenn die Turbine in ihrer Brust fast ewig halten würde. Ein bisschen unheimlich ist ihr das Kunstherz aber doch: "Es gibt aber keine andere Chance. Hadern will ich nicht mehr, sonst ist mein Leben nicht mehr schön. (...) Zu mir hat man ja auch gesagt, achteinhalb Jahre hat jetzt ein Patient dieses System, das ist der Älteste, den sie hier kennen. Ja, dann denkst du, ja achteinhalb Jahre, da bist noch nicht ganz achtzig, die Bille wird nicht mehr da sein, aber es ist doch eine ganz schöne Zeitspanne."

Bedienungsfehler

Zehn Tage nach den Aufnahmen zu diesen "Tonspuren" findet Ursula Thurm völlig unerwartet den Tod, als ihr beim Umstecken der Stromversorgung für ihr Kunstherz ein Bedienungsfehler unterläuft.