Medien als Chance begriffen
Kreisky, der Journalistenkanzler
Bruno Kreisky revolutionierte den Umgang von Politikern mit Medien und Journalisten. Er begründete ein neues Verhältnis zu Journalisten und erkannte früh die Bedeutung des Fernsehens, um seine politischen Botschaften an das Wahlvolk zu bringen. Viele sehen nicht zuletzt darin eines der Geheimnisse für seinen Erfolg.
26. April 2017, 12:57
Mittagsjournal, 20.01.2011
Patzige Antwort
"Lernen´S a bissl Geschichte, dann werden'S sehen, Herr Reporter, wie sich das damals im Parlament entwickelt hat!" Dieses Zitat ist legendär geworden. Es entsteht im Februar 1981. Bruno Kreisky steht im Kreis von Journalisten und warnt im Zusammenhang mit Aussagen des Bundespräsidenten Rudolf Kirchschläger vor einer Verfassungskrise wie in den Dreißigerjahren. Als sich der ORF-Redakteur Ulrich Brunner erdreistet zu fragen, ob diese Deutung nicht etwas übertrieben sei, reagiert Kreisky patzig.
"An das hat man sich gewöhnt"
Das war keine ungewöhnliche Reaktion, erinnert sich der Journalist Gerhard Steininger, der damals für die Salzburger Nachrichten schreibt: "Wenn er in der Defensive war, da konnte es wirklich sein, dass er explodiert. Aber das Granteln und das Belehren und Geschichte erklären, das hat es immer gegeben, und da hat auch kein Mensch mehr bekrittelt. An das hat man sich gewöhnt."
Keine Audienzen mehr
Denn egal ob Befürworter oder Gegner - nur die wenigsten Journalisten können sich der Faszination Bruno Kreiskys entziehen. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil er ihnen das Gefühl vermittelt, sie ernst zu nehmen, und einen offenen, manchmal fast freundschaftlichen Umgang mit den Journalisten pflegt. In den 70er Jahren war das ein absolutes Novum, erinnert sich Gerhard Steininger: "Um ein Interview von (Kreisky-Vorgänger ÖVP-Bundeskanzler) Klaus zu bekommen, war es ein Staatsakt. Beim Kreisky war's dann nach relativ kurzer Zeit, dass auch der Mittelbau unmittelbaren Zutritt bekommen hat. Es waren kleine Audienzen mehr, sondern er hat akzeptiert, dass Journalisten mit ihren Quellen reden müssen und hat sich auch in der Regel dazu bereit erklärt. Wenn er nicht grad mit dem Arafat oder dem amerikanischen Präsidenten gesprochen hat." Übrigens, so Steininger: "Am Sonntag in der Früh war Kreisky immer am leichtesten zu erreichen. Da ist er immer beim Frühstück gesessen und hat gewartet dass wer anruft."
"Alle Tricks beherrscht"
Kreisky installiert das berühmte Pressefoyer nach dem Ministerrat - seither ein Fixpunkt in der innenpolitischen Berichterstattung - und stellt sich inmitten der Journalistenschar mehr oder weniger geduldig ihren Fragen. Aber auch das damals junge Massenmedium Fernsehen weiß Bruno Kreisky geschickt für sich zu nützen, so Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell: Durch seine breite internationale Erfahrung als Außenminister "auch in etwas weiter entwickelten Ländern" habe Kreisky das Fernsehen in seiner kommenden Bedeutung einschätzen können. "Und er war rhetorisch erstklassig. Er hat alle Tricks beherrscht, die man in der politischen Auseinandersetzung ausspielen kann. Er hatte nichts antrainiert."
Legendärer TV-Sieg
Diese Tricks setzt Kreisky auch im berühmten TV-Duell 1975 gegen seinen damaligen Kontrahenten von der ÖVP, Josef Taus, gnadenlos ein. Keckes Spielen mit der Brille oder unvermitteltes Kramen in der Tasche bringen Taus aus dem Konzept. Und als der Wirtschaftsfachmann Taus ihm die hohe Staatsverschuldung vorwirft, zückt Kreisky eine Broschüre, in der Taus selbst den Wirtschaftsstandort Österreich lobt. Der Vorläufer des künftigen Taferls ist geboren, Kreisky gewinnt das TV-Duell und später auch die Wahl souverän.
Medien als Chance genutzt
Auch die berühmte Floskel: "Ich bin der Meinung, ..." und den langsamen Sprachduktus entlarvt Hausjell als rhetorischen Trick: Das zeige, dass sich der Redner die nötige Zeit nimmt um zu überlegen, was er als wesentliche Informationen überbringen wolle. Bruno Kreisky gelingt es, im Zusammenspiel mit den Journalisten die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten zu steuern. Bald werden ihm die Beinamen Journalistenkanzler, Medienkanzler, großer Zampano gegeben. Kreisky habe die Meiden nicht als Bedrohung gesehen, sondern als Chance, sagt Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell. Eine Chance, die Bruno Kreisky wie keiner vor ihm und vielleicht auch wie kaum einer nach ihm für sich und seine politischen Anliegen zu nützen gewusst hat.