Umfärbung nach rechts

Ungarns Kulturpolitik

Ungarn ist in den letzten Wochen am Pranger gestanden. Das Mediengesetz der Regierung Orban bringt in Ungarn Demonstranten auf die Straßen und wird in der EU herb kritisiert als Zensurgesetz. Und im Kulturbetrieb sprechen Kritiker Orbans von einem politisch motivierten Köpferollen.

Intendanten, Direktoren, Uniprofessoren werden entlassen oder hinausgeekelt und durch Fidész-Parteigänger ersetzt, heißt es. Das Phänomen ist nicht neu - in Ungarn hat sich auch unter vorigen Regierungen die Parteibuchwirtschaft auf den Kulturbetrieb erstreckt. Nur ist das seit dem letzten Fidész-Wahlsieg schlimmer geworden.

Kulturjournal, 21.01.2011

Reihenweise Gesetzesänderungen

Eine Regierung im Machtrausch. Ihre Droge: eine komfortable Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, mit der es sich nach Belieben schalten und walten lässt. An der Spitze: ein charismatischer Führer namens Viktor Orbán. Der 47-Jährige bezeichnet seinen Wahlsieg im vergangenen April als Revolution in der Wahlzelle und er sorgt dafür, dass in den Foyers aller Ministerien ein entsprechender Huldigungstext zur Schau gestellt wird.

In Windeseile wird alles getan, was Orbán für gut und richtig hält: etwa ein Staatsbürgerschaftsgesetz, das allen ethnischen Ungarn in der Fremde die ungarische Staatsbürgerschaft garantiert, eine Wahlrechtsänderung, die große Parteien - wie Fidesz - begünstigt. Sondersteuern werden eingeführt, die hauptsächlich ausländische Großkonzerne treffen, der unberechenbare Verfassungsgerichtshof wird geknebelt und es wird ein Mediengesetz beschlossen, das alle Medien an die kurze Leine nimmt.

Und seit Sommer wird umgefärbt. In allen Ministerien, Gemeindeämtern und Kultureinrichtungen, wie Oper, Theater oder Museen. Dort verlieren die von der sozialistischen Vorgängerregierung eingesetzten Direktoren und Manager ihre Jobs. Einer, der seinen Job kurz nach Amtsantritt der nationalkonservativen Fidesz-Regierung verloren hat, ist Balázs Kovalik, er war bis September künstlerischer Direktor der Budapester Staatsoper.

Zahlreiche Kündigungen im Kulturbereich

Während die Umfärbungen an den großen Bühnen des Landes vor allem in linksliberalen Tageszeitungen thematisiert werden, bleiben sie in der Provinz weitgehend ohne öffentliche Aufmerksamkeit. Dutzende Direktoren kleinerer Bühnen, die vom Bürgermeister abhängig sind, werden über Nacht entlassen. Denn 95 Prozent aller ungarischen Gemeinden haben seit den Kommunalwahlen im Herbst einen Bürgermeister der Regierungspartei Fidesz.

Der Direktor des ungarischen Nationaltheaters, Robert Alföldi, hat aus Sicht der Nationalkonservativen einen schweren Fehler begangen. Er hat dem rumänischen Botschafter in Ungarn genehmigt, seinen Empfang anlässlich des rumänischen Nationalfeiertages am 1. Dezember im ungarischen Nationaltheater zu geben. Am 1. Dezember 1918 wurde Siebenbürgen von Ungarn abgetrennt und an Rumänien angegliedert. Für Rumänien bis heute ein offizieller Feiertag, für Ungarn bis heute ein Trauertag, wenn auch nicht offiziell.

Die Genehmigung hat vor allem bei den Rechtsradikalen einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Der Theaterdirektor wurde als Vaterlandsverräter beschimpft. Alföldi entschuldigte sich damit, dass er niemanden verletzten wollte, er habe lediglich beabsichtigt, Ungarn und Rumänien näher zusammenzubringen und zog die Genehmigung zurück.

Kaum Widerstand der Bevölkerung

In der ungarischen Bevölkerung regt sich kaum Widerstand gegen Umfärbungen und Gleichschaltung. Zwei Mal ist gegen das umstrittene Mediengesetz demonstriert worden, sonst gab's keine Proteste. Alle betonen, dass es bisher nach jedem Regierungswechsel Umfärbungen gegeben habe, selbstverständlich auch im Kulturbereich. Die ungarische Regierung weist den Vorwurf der Umfärbungen empört zurück. Verträge laufen aus und werden nicht verlängert, wie Kulturstaatssekretär Géza Szöcs sagt:

"Wenn ein Vertrag nicht verlängert wird, ist das ein brutaler Eingriff der Machthaber? Das ist doch alles aufgeblasen, verlogen und sinnlos!" und Entlassungen werden von der Fidesz-Regierung als notwendige Korrekturen sozialistischer Fehler bezeichnet.

Textfassung: Red.