Heftige Kritik an Mediengesetz
Orban vor EU-Parlament
Es war schon vorher klar, dass es kein leichter Auftritt sein wird - der des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban als amtierender Ratsvorsitzender vor dem EU-Parlament. Vor allem Vertreter der europäischen Linken, der Liberalen und der Grünen kündigten scharfen Protest gegen Ungarns Mediengesetz an. Und so kam es auch.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 19.01.2011
Frostiger Empfang
Der Applaus müde, der Empfang eher frostig - der neue EU-Ratsvorsitzende Viktor Orban stellt sich den EU-Parlamentariern. Die Grünen protestieren leise, aber deutlich - mit verklebten Lippen und leeren Titelseiten ungarischer Zeitungen zeigen sie, was sie vom ungarischen Ministerpräsidenten und seinem restriktiven Mediengesetz halten. Orbans Reaktion - ironisch: "Ich sehe, dass das Europaparlament, was die Performance betrifft, den Sitzungen im ungarischen Parlament um nichts zurücksteht. Ich fühle mich ganz zu Hause."
Thematisiert selbst das Mediengesetz
Orban stellt dann das Programm und die Prioritäten der kommenden sechs Monate vor, in denen Ungarn den Ratsvorsitz inne hat. Die Schuldenkrise, eine gemeinsame Roma-Strategie, die Schengen-Erweiterung und selbst die sogenannte Donau-Strategie spricht Viktor Orban an. Schließlich aber wendet er sich an das Plenum und macht deutlich, was er von der europaweiten Kritik am ungarischen Mediengesetz hält: "Vermischen Sie nicht unseren EU-Ratsvorsitz mit der ungarischen Innenpolitik. Ich bin bereit zu kämpfen. Wenn sie das machen, dann gefährdet das nicht nur Ungarn sondern Europa im ganzen. Ich weiß, dass das Mediengesetz kritisiert wurde. Wenn es irgendwelche Einwände gibt werden wir das Gesetz abändern."
"Prüfen Sie sich keinen Bart!"
Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Martin Schulz, ortet in diesen Worten ein Schuldeingeständnis. Er fordert von Orban, das Gesetz zurückzuziehen und dass die EU-Kommission rasch die Prüfung Mediengesetzes abschließe: "Wenn in Österreich ein LKW-Fahrverbot von einem Bundesland erlassen wird, dann fällt die Kommission in eine tiefe Sinnkrise und verhängt eine Sofortmaßnahme gegen Österreich. Wenn hier eine Grundlage der europäischen Demokratie berührt ist, dann prüfen Sie sich einen langen Bart. Sorgen Sie dafür, dass das Prüfergebnis schnell kommt."
"Information muss stören"
Emotional die Kritik von Daniel Cohn Bendit von den Grünen: Nicht Orban und kein anderer Politiker könne entscheiden, wie ausgewogene Berichterstattung aussehe: "Glauben Sie vielleicht, dass Richard Nixon die Berichterstattung über Watergate für ausgewogen gehalten hat? Dass George Bush die Berichte über Abu Graib für ausgewogen gehalten hat? Information muss stören in einer Demokratie."
Kritik nur von Links?
Eine ungarische konservative Abgeordnete springt Orban zur Seite: Die Kritik sei parteipolitisch motiviert, sie komme nur von Seiten der Sozialdemokraten, der Liberalen und der Grünen EU-Parlamentarier. Der österreichische Abgeordnete Hannes Swoboda von den Sozialdemokraten weist das zurück: Die Kritik am ungarischen Mediengesetz werden auch von sehr vielen Bürgerlichen getragen.
Angst vorm Vergessen
Die EU-Kommission prüft derzeit, ob das Mediengesetz gegen europäische Regeln und Grundwerte verstößt. Kritiker fürchten, dass es zu keinen maßgeblichen Änderungen kommen wird, wenn die Aufmerksamkeit spätestens nach dem Ende der ungarischen Ratspräsidentschaft im Juli abklingt.