Mediengesetz übertönt alles
Schatten über Ungarns EU-Präsidentschaft
Einen denkbar holprigen Start hat die ungarische Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union. Jeder Schritt Ungarns als neues Vorsitzland scheint überschattet zu sein von den Kontroversen über das neue Mediengesetz, vom dem Kritiker eine Einschränkung der Pressefreiheit befürchten. Die europäischen Schwierigkeiten Ungarns reißen nicht ab.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 14.01.2011
Auftakt in Gödöllö
Das erste informelle Ministertreffen der ungarischen Ratspräsidentschaft beginnt heute im Barocken Schloss von Gödöllö. Europaminister und Staatssekretäre beraten über trockene Themen wie Budgetpolitik und wirtschaftliche Koordinierung, dort wo einst Kaiserin Elisabeth vom Stress des Wiener Hofes Erholung suchte.
Weniger lieblich wirken die historischen Reminiszenzen, die Ungarn im EU-Ratsgebäude in Brüssel präsentiert. Es ist lange Tradition, dass Vorsitzländer den Eingangsbereich des riesigen Bürogebäudes, in dem Ministerräte und EU-Gipfel stattfinden, für sechs Monate nach eigenen Vorstellungen dekoriert. Belgien, das im vergangenen Halbjahr die Präsidentschaft inne hatte, verschönerte den Raum recht unspektakulär mit künstlerischen Skulpturen. Tschechien hat vor einem Jahr mit einer großen Skulptur für Aufregung gesorgt, die sich über die gegenseitigen Vorurteile der Europäer lustig machte.
Neuer Unmut über Teppich
Ungarn legt jetzt einen riesigen 202 Quadratmeter großen historischen Teppich der Künstlerin Livia Papai hin. Mit Rittern und Königen, dem Heiligen Stephan und Franz Liszt, Kaiserin Sissi und dem Erfinder des Zauberwürfels Rubiks Cube. Im Zentrum: eine Ungarnkarte aus der Habsburgerzeit von 1848, als die die Slowakei, Kroatien und Teile Serbiens, Rumäniens und das Burgenland zu Ungarn gehörten.
Immer in Verteidigungsposition
Die grüne EU-Abgeordnete Lunacek unterstellt großungarische Träume, die aus der Gedankenwelt der Regierungspartei Fidesz kommen. Ein rumänischer Abgeordneter findet, man soll eher Grenzen abbauen, als bedauern, dass es alte Grenzen nicht mehr gibt. Die ungarische EU-Vertretung muss sich verteidigen, es sei einfach unfair aus einer historischen Zeitreihe einen Bezug zur Gegenwart herzustellen.
Weiter Aufregung um Mediengesetz
Härter verläuft nach wie vor die Auseinandersetzung um das ungarische Mediengesetz. Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament verlangt in aller Form die Aussetzung der umstrittenen Regeln, solang nicht geklärt ist, ob sie mit europäischem Recht im Einklang stehen. Demnächst soll der Grundrechteausschuss des Europaparlaments seine Beratungen über eine mögliche Gefährdung der Pressefreiheit in Ungarn aufnehmen. Auch die amerikanische Regierung appelliert jetzt an Budapest, die Debatte ernst zu nehmen.
Premierminister Viktor Orban wird nächsten Mittwoch dem Europaparlament in Strassburg Rede und Antwort stehen. Seine nationalkonservative Fidesz-Partei gehört zur Europäischen Volkspartei, der größten Parlamentsfraktion, die Orban im Augenblick die Stange hält. Allerdings warnt Joseph Daul, der Chef der Europäischen Volkspartei, Ungarn ungewöhnlich deutlich vor den Plänen der Budapester Regierung den dreieinhalb Millionen Ungarn außerhalb der Staatsgrenzen das Wahlrecht zu geben. Ein solcher Schritt würde bedeuten, dass man die Grenzen nicht akzeptiert, und das ist nicht akzeptabel, so der einflussreiche französische Christdemokrat Daul in Richtung der ungarischen Parteifreunde.