Krimi von Ken Bruen

London Boulevard

Der 1951 geborene Ire Ken Bruen ist tatsächlich einer der besten Kriminalschriftsteller der Gegenwart. Hierzulande entdeckt wurde er durch die Verlage Rowohlt und Rotbuch, wirklich bekannt gemacht aber hat ihn der Schweizer Atrium Verlag, wo Bruens Detektivromane mit dem Helden Jack Taylor in Übersetzungen von Harry Rowohlt erscheinen.

Neben den durchwegs pfiffigen und anspielungsreichen "private-eye"-Krimis mit Schauplatz Galway in Irland hat Bruen auch einige Solitäre verfasst. Einer davon trägt den Titel "London Boulevard", ist im Original vor zehn Jahren erschienen und jetzt ins Deutsche übersetzt worden.

Der Held heißt Mitchell, ein Kleinkrimineller aus dem Londoner South-East, der gerade drei Jahre Knast wegen schwerer Körperverletzung abgesessen hat. Sein sogenanntes "Resozialisierungsprogramm" übernehmen fürs Erste die alten Kumpanen. Mitchell bekommt eine Gratisbleibe und einen Job als Geldeintreiber - politisch korrekt würde es "Außendienstmitarbeiter eines Inkassobüros" heißen.

Von "Freunden" gelinkt

Die Stadtviertel, in denen Mitchell tätig ist, sind jedenfalls die übelsten von ganz London und zur professionellen Grundausstattung zählt zumindest der Baseballschläger. Es dauert eine ganze, blutige Weile bis dem Helden klar wird, dass er von seinen angeblichen "Freunden" gelinkt wird und auch früher schon gelegt worden ist.

Aber Mitchell - ein durchaus gebildeter und belesener Zeitgenosse - ist Manns genug und hat sich daher einen zweiten Job als Handwerker bei einer gealterten Theaterdiva im noblen Notting Hill aufgetan. Was nach absoluter Seriosität klingt, entpuppt sich im Laufe des Geschehens als echter Albtraum.

Reverenzen an andere Krimi-Autoren

So viel zum "plot" von Ken Bruens Krimi "London Boulevard". Wer die Arbeiten dieses Autors kennt, weiß, dass dieser nur die halbe Miete ist. Und Bruen erweist sich auch in seiner Londoner Kriminalgeschichte als Meister der psychologischen Feinzeichnung der Figuren und der atmosphärisch dichten Skizzierung der Milieus.

Komplettiert wird das Ganze durch sarkastische Aphorismen, geschickte Querverweise und regelrechte Anrufungen des Olymps der Kriminalliteratur. Der besteht bei Bruen aus den Altvorderen des "hard-boiled"-Genres: Elmore Leonard, dann James Sallis, Charles Willeford, Jim Thompson und Andrew Vachss.

Zu einem Soloauftritt hingegen bringt es der kalifornische Kriminalchronist und Blutopernschreiber James Ellroy. In Bruens Roman hält er eine Lesung in London, und die Beschreibung dieses Auftritts ist durchaus stimmig. Zitat: "Dann betrat James Ellroy die Bühne. Großer Typ, energiegeladen. Es war weniger eine Lesung als eine richtige Inszenierung. Hypnotisierend." Ja, und einen fesselnden Charakter kann man auch Ken Bruens Krimi "London Boulevard" nicht absprechen.

Fazit: Absolut lesenswert!

Service

Ken Bruen, "London Boulevard", aus dem Englischen übersetzt von Conny Lösch, Suhrkamp Verlag