Unterschiedliche Umsetzung

"Neue Mittelschule" mit Ländergrenzen

Der Schulversuch der "Neuen Mittelschule" stößt in seiner Umsetzung an Ländergrenzen. Mehr oder weniger in allen Bundesländern läuft er anders, kritisiert der Experte Bernd Schilcher. Aus seiner Sicht ist das ein Ergebnis des Dauerkonflikts rund um die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.

Morgenjournal, 07.02.2011

Unterschiede zwischen Bundesländern

Die "Neue Mittelschule" läuft und läuft, aber ein wenig unrund. Das bemängelt Bernd Schilcher, früherer ÖVP-Bildungspolitiker und Mitglied der Approbationskommission für Modellversuche. Dadurch, dass es noch keine Schulform, sondern nur ein Schulversuch ist, könne man Umsetzung und Qualität nicht gründlich kontrollieren. Schilcher bringt ein Beispiel für die Unterschiede zwischen Bundesländern. So hätten die Vorarlberger größten Wert darauf gelegt, dass alle Hauptschulen Neue Mittelschulen werden, und in Kauf genommen, dass es nicht genug AHS-Lehrer gebe. In der Steiermark habe man zuerst einen Pool von AHS-Lehrern gebildet, habe es jetzt aber auch allmählich mit einem Lehrermangel zu tun.

Ideologische Differenzen

Daran liege es auch unter anderem, dass die Neue Mittelschule überall anders aussieht, sagt Schilcher. Aber natürlich auch daran, dass manche, wie Wien, aus ideologischen Gründen mehr und andere, wie zum Beispiel Niederösterreich, weniger mit der Idee einer letztlich gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen mitziehen. Niederösterreich hat überhaupt ein eigenes Modell einer de facto Verlängerung der Volksschule um zwei Jahre, danach folgen zwei Jahre berufsorientierte oder allgemeine Mittelschule.

"Das ist deppert"

Im Extremfall würden solche Sonderwege neun verschiedene Schulsysteme bedeuten, sagt Schilcher, der den Anhängern der Verländerung nichts abgewinnen kann: "Die einen sagen, das ist eine Besonderheit, die anderen sagen, das ist deppert." Schilcher glaubt, dass die "Verständnislosigkeit für so komische Differenzierungen wächst". Seiner Ansicht nach sollte es in Zukunft nur mehr ein Bundesschulwesen geben, das alle Kompetenzen hat.

Nostrifikation am Semmering?

Das bedeute aber nicht, so Bernd Schilcher, dass die einzelnen Schulen an Autonomie verlieren sollten, vor allem nicht in pädagogischen Fragen. Er warne nur vor absurden Situationen: "Hätten sich die Oberföderalisten durchgesetzt, dann hätten wir neun verschiedene Schulsysteme und hätten am Wechsel und am Semmering Nostrifikationsstellen errichten müssen, damit der Schulabschluss von Niederösterreich auch bei uns in der Steiermark anerkannt wird."

Dennoch zuversichtlich

Trotz allem ist Schilcher letztlich optimistisch: Gemeinsam ist den Neuen Mittelschulen, dass Schülerinnen und Schüler unabhängig von den Noten in ihrem Volksschulzeugnis gemeinsam nach dem AHS-Lehrplan unterrichtet und individuell ohne Leistungsruppen gefördert werden. Und das funktioniere im Großen und Ganzen.