Wird auch an österreichischen Unis geschummelt?

Plagiatsjäger im Einsatz

Unser Nachbarland Deutschland erholt sich gerade mühsam von dem Schock, dass der Verteidigungsminister nun doch kein Doktor ist. In Österreich ist ein vergleichbarer Skandalfall noch nicht vorgekommen, aber es könnte bald soweit sein, meinen Beobachter. Denn auch an österreichischen Universitäten sind schon Plagiate entdeckt worden.

Mittagsjournal, 25.02.2011

Ernüchternde Bilanz

Er ist so etwas wie ein Star in der akademischen Jagd-Szene: Der Salzburger Medien- und Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber hat in den vergangenen fünf Jahren aus Eigeninitiative 300 Abschlussarbeiten, darunter auch Doktorarbeiten überprüft. Seine Bilanz: Bei 80 Arbeiten wurde abgeschrieben, in 11 Fällen wurde der akademische Titel aberkannt. Und Weber rechnet hoch: "Sie können davon ausgehen, dass vielleicht jede 30. Arbeit so stark plagiiert ist, dass man den akademischen Grad widerrufen müsste."

Ghostwriter bieten Dienst an

In den schweren Fällen schrieben die Plagiateure meistens seitenweise aus anderen Publikationen ab, ohne ihre Quellen zu zitieren. Die untergründige Tätigkeit von akademischen Ghostwritern wurde in Österreich noch nicht nachgewiesen, obwohl es sie geben muss, meint Weber, weil sie ihre Dienste im Internet anbieten.

"Flickwerk"

Ein Spezialfall sind sogenannte Synonymplagiate, sagt Stefan Weber. Das heißt, "jemand schneidet aus dem Internet einen Text aus, macht ein Bastel- oder Flickwerk daraus und ist dann aber nicht so faul wie der Herr Guttenberg oder sein Ghostwriter und ändert pro Absatz ein bis zwei Wörter, sondern ändert konsequent in jedem Satz zwei bis drei Wörter." In der Hoffnung, so Weber, dass man nie Übereinstimmungen finde und der Betreffende so der Google-Suche entkomme. Das sei zwar eine mühsame Arbeit, aber für jemanden, der nicht willens oder fähig sei, wissenschaftlich zu arbeiten, sei es immer noch einfacher, an jedem Satz ein bisschen zu feilen, als einen Text selbst zu schrieben.

"Schlampiges Verhältnis zum Mogeln"

Weber, der Jäger des verborgenen Quatsches, setzt auf herkömmliche Internet- Suchmaschinen. Mit eigens entwickelter Software rückt dagegen die österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität Doktor- und Magisterarbeiten zu Leibe. Ein halbes Dutzend Fälle überprüft diese Einrichtung der Unis und der Forschungsförderungsfonds pro Jahr. Stefan Weber wirft ihr Untätigkeit vor, was ihr Vorstandsvorsitzender, Wissenschaftsfondspräsident Christoph Kratky, zurückweist. Die Agentur behandle eben nicht alle Fälle, vor allem wenn sie mehr als 20 Jahre zurücklägen. "Der Vorwurf ist völlig unbegründet", so Kratky. Für Stefan Weber haben die Österreicher ein schlampiges Verhältnis zum Mogeln und Plagiieren: "Es ist ein bissl das österreichische Denken: Ein bissl Tricksen tun wir ja alle, das ist ja eigentlich nicht so schlimm", kritisiert Weber die Verharmlosung von Verstößen gegen die wissenschaftliche Praxis. Ein Fall Guttenberg ist jedenfalls auch in Österreich nicht ganz ausgeschlossen.