Die Wirklichkeit hinter dem Gesamtkunstwerk
James Franco im Porträt
Einige Jahre lang ist James Franco einfach ein Schauspieler: ein junger Mann mit breitem Grinsen im Gesicht, der unterwegs ist ganz nach oben. Er spielt in Hollywood-Filmen, gibt den Herzensbrecher, ziert die Titelbilder von Hochglanzmagazinen.
8. April 2017, 21:58
Mittlerweile muss man diese Phase im Schaffen von James Franco als Vorbereitung lesen: als Vorbereitung auf das, was man jetzt immer und überall beobachten kann. Der 32-jährige Franco fotografiert und schreibt Bücher, er ist an mehreren Universitäten eingeschrieben und findet dennoch Zeit, seine erste Einzelausstellung als bildender Künstler fertig zu stellen.
Er moderiert die Oscar-Verleihung und ist gleichzeitig nominiert: als bester Darsteller in Danny Boyles Drama "127 Stunden". Die Trophäe erhält er zwar nicht, Francos Run ist aber ohnehin nicht mehr aufzuhalten. Nächste Woche läuft schon sein nächster Film in den österreichischen Kinos an: in "Howl" spielt der smarte Kalifornier den homosexuellen Beat-Poeten Allen Ginsberg.
Verbindung zu James Dean
Gemeinsam mit Anne Hathaway moderiert James Franco die Verleihung des wichtigsten Filmpreises der Welt, des Oscars. Und in seiner Hand glänzt ein Mobiltelefon, mit dessen Kamera er diese Momente festhält. Sekunden später zirkulieren die Aufnahmen durch das Internet. Franco lädt viele Bilder, auch kurze Videos hoch: von obszönen Zeichnungen auf Uni-Klos, von seiner Familie, von Dreharbeiten, von ihm selbst, wie er schlaftrunken im Hotelbett liegt.
Unter den Einträgen häufen sich Kommentare an, die Franco gratulieren, zu seiner Kunst, seinem Aussehen oder einfach so. Einige davon sind anzüglich. "So cute" steht dort häufig, oft auch "sexy" oder "James Dean". Mit dem "Rebel without a Cause" verbindet Franco einiges, vor allem aber sein Aussehen irgendwo zwischen Dandy, Rocker und Vorzeigestudent, mit diesem eckigen, dennoch sanften Gesicht. James Dean ist auch eine der ersten Rollen für Franco: 2001 spielt der Schauspieler den Schauspieler in einem Fernsehfilm.
Vom Rechengenie zum Künstler
"James Dean" macht James Franco bekannt, es folgen Rollen in kleineren, dann größeren Hollywood-Filmen wie "Spider-Man" und "Tristan und Isolde". Aber der Künstler hinter dem Star wird immer unzufriedener mit seinem Leben, zeigt sich enttäuscht über die Früchte seiner Arbeit und zieht einen Schlussstrich.
Es ist nicht das erste Mal, dass Franco seiner Karriere einen Richtungswechsel verordnet. Nach einer glücklichen Kindheit im kalifornischen Palo Alto vertieft er sich auf Wunsch seines Vaters in die Mathematik, wird zum Rechengenie - nur um während seiner Adoleszenz gegen alles und jeden zu rebellieren und sich schließlich den Künsten zuzuwenden. Dort ist James Franco auch geblieben.
Nach seinem Bruch mit Hollywood beendet er zuerst sein abgebrochenes Studium und schreibt sich daraufhin in Postgraduiertenprogramme ein; nicht in eines, sondern gleich in mehrere: Schriftstellerei, Regie und Poesie. Was zuerst nach intellektuellem Posieren riecht, entsteht allein aus der Ambition des jungen Mannes heraus. Immer wieder bestätigen Kommilitonen und Professoren, dass Franco extrem hart arbeitet. 2009 soll er auf der Abschlussfeier seiner Alma Mater eine Rede halten, sagt aber kurzfristig ab. Vor wenigen Wochen veröffentlicht Franco ein Internetvideo, in dem er die Rede hält.
Voll das Leben
Auf der Internetplattform "Funny or Die" spielt er mit seiner Berühmtheit, gibt Schauspielkurse oder lässt seine Großmutter in die Kamera fluchen. Ein weiterer Mosaikstein im Gesamtkunstwerk James Franco, das seine Filmauftritte längst überstrahlt. Freunde und Bekannte attestieren ihm eine Rastlosigkeit, die viele kreative Seelen umtreibt. Keine Minute will er verschwenden, in Dreh- oder Vorlesungspausen verschlingt er Bücher. Geschlafen wird nur ein paar Stunden pro Nacht, untertags regeneriert Franco sich mit Power-Naps.
Wie ein Teenager tankt er das Leben, überhaupt wirkt er nicht selten pubertierend in seinem spielerischen Umgang mit seiner Prominenz und dem Celebrity-System. Seine Identität scheint kontinuierlich im Fluss: auf einer Party begegnet man ihm als Gucci-Snob, auf der nächsten wirkt er wie ein Nachbarsjunge, auf wieder einer anderen wie ein Vorzeigestudent. Auch in Bezug auf seine Sexualität will Franco sich nicht festlegen, obwohl er bereits seit mehreren Jahren eine Freundin hat. Immer wieder spielt er homosexuelle Rollen, sein erster Kurzfilm als Regisseur, "The Feast of Stephen", zeigt, wie ein Teenager von Gleichaltrigen vergewaltigt wird - und offenbar Gefallen daran findet.
Franco spielt Franco
Die Jugend ist das bestimmende Thema in vielen von Francos Arbeiten: Seine im letzten Herbst veröffentlichte Kurzgeschichtensammlung "Palo Alto" erzählt von kalifornischen Teenagern. Sie haben Sex, sind gewalttätig und unangepasst. 2010 eröffnet er auch seine erste Einzelausstellung "The Dangerous Book four Boys": Spielzeug aus seinem Jugendzimmer liegt übereinander gestapelt in einem Raum. In einem Video sieht man Franco selbst als "Dicknose", eine Figur mit Penis statt Nase im Gesicht, die durch Paris spaziert. Es bleibt offen, ob er all das ernst meint oder mit dem Publikum und sich selbst spielt.
Am gewaltigsten erscheint das Paradoxon James Franco im amerikanischen Fernsehen: In mehreren Episoden der Seifenoper "General Hospital" spielt er einen Multimediakünstler namens "Franco". James Franco spielt "Franco" und filmt und fotografiert hinter den Kulissen. Aus dem Material entsteht eine Ausstellung: Der Künstler sagt, er will die Grenzen zwischen Hoch- und Massenkultur einreißen. Grenzen überschreiten, das scheint die Agenda von James Franco zu sein. Er ist ironisch und ernst, homo- und heterosexuell, Star und Meta-Star. Oder auch: einer der faszinierendsten, unberechenbarsten Künstler der Gegenwart.
Service
Funny or Die - James Franco
IMDb - James Franco
abc - General Hospital
Artschoolvets - Bilder von James Franco