Nachbeben bis Stärke 8,0 möglich

Experte erwartet weitere Beben

Erdbeben-Experte Wolfgang Lenhardt geht im Ö1 Mittagsjournal davon aus, dass es in der Region um Japan schon bald zu einem weiteren katastrophalen Beben kommen könnte. Vorhersehen kann man die Erdstöße trotz Frühwarnsystemen noch immer nicht.

"Es gibt keine Vorwarnung"

Seismologe Wolfgang Lenhardt im Mittagsjournal-Gespräch am 11.03.2011 mit Hubert Arnim-Ellissen

Schwere Nachbeben

Der Seismologen Wolfgang Lenhardt vom Zentralamt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) geht davon aus, dass mit weiteren schweren Beben gerechnet werden muss, da schon das Hauptbeben fast eine Stärke von 9,0 hatte. In den nächsten Monaten kann es zu Nachbeben kommen, die bis hin zu Stärke 8,0 erreichen können. "Und das ist immer noch ein katastrophales Beben", sagt Lenhardt. Allein am Freitag habe man schon viele Nachbeben der Stärke 7,0 gemessen. Es ist zu erwarten, dass es noch einmal zu einem richtig starken Beben kommt.

Ohne Vorwarnung

Eine Vorwarnung gibt es für Erdbeben meistens nicht. In 90 Prozent der Fälle gibt es keine Vorbeben, sagt der Seismologe. Auch wenn man eine Magnitude 6,0 registriert, was auf der Welt häufig am Tag passiert, könne man nicht davon ausgehen, dass es bald darauf ein noch stärkeres Beben geben wird. "Es ist ein Enigma in der Wissenschaft, was einem am nächsten ist, das übersieht man oft", so Lenhardt.

Tektonische Verschiebungen der Platten

Die Platte habe sich über einen Bereich von 600 Kilometern entlang der Nordküste Japans einige Meter verschoben, erklärt der Experte. Diese Verschiebung sei normal bei so einem Bruchvorgang. Er zieht den Vergleich zum Beben auf Sumatra 2004, wo sich die Platten auch auf einer hunderte Kilometer langen Linie verschoben hätten. Der Seismologe schildert, dass sich eine Platte nicht an allen Stellen der Bruchlinie unter die andere schiebt, sondern dass es eher wie eine Schere funktioniere. "Hier schließt sich die Schere Richtung Süden", so Lenhardt. Und das merke man jetzt eben auch an den Nachbeben im Süden Japans.

Häufig Tsunami in Japan

In den meisten Fällen folgen in Japan auf schwere Beben auch Tsunami. Das passiert vor allem, wenn sich eine Platte über die andere schiebt. Wenn sich Platten aneinander vorbeischieben, wie es in Kalifornien ist, ergeben sich keine Tsunami. "Dafür braucht es einen vertikalen Wasserversatz", erklärt der Seismologe. Und dieser entstehe nur, wenn eine Platte unter die andere dringt. Dennoch gelte: Alle pazifischen Beben sind potenzielle Beben mit Tsunami.

Ausmaße noch unklar

Katastrophen werden von den Seismologen immer nach den Auswirkungen und nicht nach der Magnitude gemessen. Und die seien noch nicht abschätzbar, sagt Lenhardt. Erinnerungen an den Tsunami Ende 2004, bei dem rund 250.000 Menschen ums Leben gekommen sind, werden unweigerlich wach. "Es bleibt zu hoffen, dass es nicht zu so einer großen Katastrophe kommt", so Lenhardt. Abschätzen kann man aber noch nichts. Denn Japan ist ein sehr industrialisiertes Land, "man hat ja auch schon von schweren Problemen mit den Atomkraftwerken gehört."

"Systeme haben nicht versagt"

Seismologe Wolfgang Lenhardt im Mittagsjournal-Gespräch am 11.03.2011 mit Hubert Arnim-Ellissen

Frühwarnsysteme nicht perfekt

Nach Meinung des ZAMG-Seismologen haben die Frühwarnsysteme nicht generell versagt. "Es gibt immer einen 'blind spot' in der Nähe des Epizentrums", sagt Lenhardt. Den gebe es bei jedem Erdbeben. Die seismischen Wellen würden zwar registriert und interpretiert. Das passiere alles automatisch, aber es brauche trotzdem seine Zeit aufgrund der spezifischen Eigenschaften des Erdkörpers, so der Experte. Man könne nur Menschen im Umkreis von einigen hundert Kilometern warnen. Aber auch das sei schon ein großer Fortschritt.