Appell an Bundesregierung
Gewalt gegen Behinderte bekämpfen
Menschen mit Behinderung seien besonders häufig von Gewalt betroffen und müssten daher verstärkt geschützt werden. Darauf versucht ein Gremium aus Experten und Betroffenen in einer Stellungnahme an die Bundesregierung hinzuweisen. Vor allem Maßnahmen gegen strukturelle Gewalt in Behinderteneinrichtungen werden gefordert.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 24.03.2011
Behindertenrechtskonvention
Menschen mit Behinderungen sollen gleichberechtigt mit anderen das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit genießen. Das sieht die von Österreich ratifizierte Behindertenrechtskonvention vor. Doch Behinderte würden gerade in Österreich oft als "Hascherln" gesehen und behandelt, sagen Mitglieder des Monitoring-Ausschusses zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention. Das sei mit ein Grund dafür, dass sie besonders oft Opfer von physischer und psychischer Gewalt werden.
Grundsätzliche Schwierigkeiten
Dazu, so die Ausschussvorsitzende Marianne Schulze, komme die Abhängigkeit von Pflegern oder Familienangehörigen, körperliche Einschränkungen und sprachliche Schwierigkeiten: "Menschen mit Behinderungen tun sich schwer, klar zu machen: Was ist eine willkommene Berührung - was ist ein sexueller Missbrauch, was ist ein notwendiges Medikament um sich gut zu fühlen - was ist eine Überdosierung - was ist ein angenehmes warmes Bad - was ist eine knappe Verbrühung."
Problematische Großheime
In seiner Stellungnahme an die Bundesregierung versucht der Monitoring-Ausschuss eine weit gefasste Definition von Missbrauch, Gewalt und Zufügen von Leid: Auch Verspotten, Eindringen in die Privatsphäre oder die Androhung der Verweigerung von Pflege werden dazu gezählt. Als besonders anfällig für Gewalt werden Großheime eingestuft, aus strukturellen Gründen: "Tagesabläufe, die völlig starr sind und nicht in Frage gestellt werden dürfen; Fixierungen, die routinemäßig stattfinden, das Festhalten in Netzbetten, Überdosierung von Medikamenten und auch die emotionale und soziale Vernachlässigung."
"Gesetz praktisch umsetzen!"
Vor allem behinderte Frauen werden aber auch besonders oft Opfer von sexueller Gewalt. Mehr als 50 Prozent der Befragten haben im Rahmen einer Studie 1996 angegeben, zumindest einmal sexuell missbraucht worden zu sein. Resümee von Marianne Schulze: "Ich sehe die dramatische Notwendigkeit, sich bewusst zu werden, dass hier eine Bevölkerungsgruppe eine höhere Gefährdung hat, und dass sich diese höhere Gefährdung in der praktischen Umsetzung der bereits vorhandenen Gesetze wesentlich stärker auswirken muss."
Recht, Wohnen und Kontrolle
Einige konkrete Forderungen des Monitoring-Ausschusses zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention sind: ausreichende Rechtshilfe, wenn Menschen mit Behinderung Anzeigen erstatten wollen, Ausbau von Wohnformen, wo sie selbstbestimmt leben können und unabhängige Behörden, die lückenlos die Situation in allen Behinderteneinrichtungen überprüfen.