Abschluss von Gerhard Roths Romanzyklus
Orkus
Mit "Orkus", einem knapp 700 Seiten umfassenden Band, beendet der österreichische Autor Gerhard Roth eines der großen Projekte der deutschsprachigen Literatur: zwei Zyklen, an denen er seit den späten 1970er Jahren gearbeitet hat. Das große Vorhaben: Mit den Mitteln der Literatur eine Zeitepoche sichtbar zu machen.
8. April 2017, 21:58
Nachdem Gerhard Roth in den "Archiven des Schweigens" eine Ethnographie Österreichs in sieben Bänden entworfen hat, hat er mit der Arbeit an dem achtbändigen Zyklus "Orkus" begonnen - der gleichnamige letzte Band führt jetzt die beiden Werkkomplexe zusammen. In rund einer Woche kommt "Orkus" in die Buchhandlungen.
Mittagsjournal, 02.04.2011
"Orkus" ist der Abschluss einer jahrzehntelangen, monumentalen Arbeit, der Abschluss von zwei Zyklen mit 15 Büchern: Reiseromane, Kriminalromane, Reportagen, Essaybände, ein Fotobuch und ein autobiografischer Band - insgesamt rund 6.000 Seiten.
"Ich habe über 30 Jahre mit meinen Figuren zusammengelebt", stellt Gerhard Roth fest. "Es war ein eigenes kleines Universum und ich habe sehr oft in der Parallelwelt längere Zeit verbracht als in der realen Welt. Am Schluss habe ich durch den letzten Band eine Befreiung erreicht."
Stadt und Land
Begonnen hat alles Ende der 1970er Jahre mit der Arbeit an "Der Stille Ozean", einem Roman über das Leben in der ländlichen Abgeschiedenheit. "Ursprünglich wollte ich nur zwei Bücher schreiben, ein Buch über die Stadt und eines über das Land", sagt Roth. "Es ging mir um die österreichische Geschichte von dem Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Zweite Republik hinein." Entstanden ist ein facettenreiches und komplexes Zeit- und Geschichtspanorama aus verschiedenen literarischen Perspektiven.
Rund um die Welt
Als Doppelhelix beschreibt Gerhard Roth "Die Archive des Schweigens" und "Orkus" - ein Projekt, das ihn weit über die Grenzen des Landes hinausgeführt hat: "Für mich waren 'Die Archive des Schweigens' Bücher über einen Tatort eines gigantischen Verbrechens. Dieses gigantische Verbrechen war der Nationalsozialismus mit seinen Konzentrationslagern. Und dann wollte ich auch andere Kulturen reflektieren."
Vom Neusiedlersee nach Japan, auf den Berg Athos und nach Istanbul, nach Ägypten, Spanien und Portugal - rund um den Globus ist Gerhard Roth seinen Protagonisten hinterher- beziehungsweise vorausgereist. Und in "Orkus" treten alle noch einmal auf: Ascher aus dem "Stillen Ozean", Franz Lindner und Alois Jenner, Konrad Feldt aus "Der Plan" und auch der tablettensüchtige Pharmavertreter Paul Eck. Am Ende bleibt der Ich-Erzähler allein zurück.
Navigator durch den Zyklus
"Orkus" ist so etwas wie ein virtuoser Schlussakkord, ein vielschichtiger Text, der vom Leser ein hohes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Die Zusammenschau von Themen und Motiven ist verbunden mit einer Reflexion literarischer Möglichkeiten. Tagebucheintragungen stehen da neben essayistischen Einschüben, Beschreibungen und Porträts, es gibt Fußnoten, Zitate, Listen, Abbildungen von Gemälden und Fotos - ein Blick in den Kopf des Schriftstellers, wie Gerhard Roth sagt.
Nicht zuletzt ist "Orkus" auch ein Navigator durch sämtliche Bücher, ein Netz, das beide Zyklen umfängt. Auch wenn der Zyklus jetzt abgeschlossen ist, Aufhören ist für Gerhard Roth, der im kommenden Jahr seinen 70. Geburtstag feiert, kein Thema.
Textfassung: Ruth Halle
Service
Gerhard Roth, "Orkus. Reise zu den Toten", S. Fischer Verlag
S. Fischer - Gerhard Roth