Ärzte legen Konzept vor
Hilfsfonds für "Schadensfall" Behinderung
Wenn in Österreich eine Behinderung des Kindes bei der Ultraschalluntersuchung vor der Geburt übersehen wird, gilt das als ersatzpflichtiger "Schadensfall". Dann muss der untersuchende Arzt lebenslang den vollen Unterhalt des Kindes bezahlen. Pränatalmediziner wollen die Arzthaftung in Zukunft über einen Hilfsfonds regeln.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 21.04.2011
Umstrittene Frage der Haftung
Dass ein Kind mit Fehlbildungen und anderen Beeinträchtigungen hierzulande als "Schadensfall" gilt, dagegen laufen Behindertenverbände schon lange Sturm. Andererseits: Wer haftet für ein pflegebedürftiges, behindertes Kind? Denn es gibt auch Mütter, die abgetrieben hätten, wenn sie gewusst hätten, dass ihr Kind behindert zur Welt kommt.
Derzeit muss der Arzt, der das im Ultraschall übersehen hat, den vollen Unterhalt bezahlen. Ein Gesetzentwurf vom Februar 2011 wollte das abstellen und sah überhaupt keine Haftung der Gynäkologen mehr vor. Auch dieses Extrem fand keine parlamentarische Mehrheit. Eine Gruppe von Medizinern legt nun ein Konzept vor, das einen Mittelweg vorsieht.
Fonds soll helfen
Es soll ein Fonds eingerichtet werden an den sich die Mutter mit dem behinderten Kind wenden kann und der finanzielle Mittel, aber auch psychosoziale und andere Unterstützung anbietet, erklärt der Linzer Pränatalmediziner Wolfgang Arzt, Präsident der Gesellschaft für Prä- und Perinatale Medizin. Die Ärzte wollen weder eine Haftungsbefreiung für die Gynäkologen, noch, dass den Frauen ein Nachteil gegenüber der bisherigen Rechtsprechung entsteht. "Aber wir wollen eine beschränkte Haftung, weil eine lebenslange Unterhaltszahlung nicht angemessen ist", so Wolfgang Arzt.
Verhandlungen laufen
Der Fonds würde sich dann, je nach Grad der Fahrlässigkeit, am betroffenen Mediziner schadlos halten. Eine Lösung tut dringend Not, denn mittlerweile gebe es immer mehr Gynäkologen, die gar keine Ultraschalluntersuchungen mehr anbieten, weil sie das Risiko einer vollen Schadenshaftung fürchten, so Wolfgang Arzt.
Derzeit führen die Pränatalmediziner gemeinsam mit der Medizinuniversität Wien Gespräche mit dem Justiz- und dem Finanzministerium darüber, woher das Geld für den Fonds kommen soll. Wie viel der Fonds brauchen wird, steht noch nicht fest. Die Fälle der fahrlässig übersehenen Fehlbildungen seien in den letzten Jahren jedenfalls weniger geworden. Laut Pränatalmediziner Arzt sind es fünf bis zehn Kinder im Jahr, die dieser Hilfe bedürfen.
Hilfe auch ohne Fahrlässigkeit des Arztes
Justizministerium und Finanzministerium wollen aber auch behinderten Kindern helfen, bei denen keine Fahrlässigkeit des Arztes vorliegt, so Wolfgang Arzt. Etwa dann wenn eine Behinderung durch die Geburtshilfe bedingt wurde. Die Pränatalmediziner hoffen auf eine baldige politische Umsetzung dieser Ziele.