Das RSO Wien im Mai

Barber-Oper und Rap-Projekt

Mit einer hypnotisch-kruden Geschichte im Stile englischer Gothic Tales inklusive fatalen Beziehungsgrusels beginnt der Mai für das RSO Wien. Gegen Ende des Monats mischt das RSO dann einen Melting Pot mit der Street Academy samt DJs, Beatboxern und Breakdancern im Donauzentrum in Kagran. Die spektakuläre Eröffnung der Wiener Festwochen steht dazwischen auf dem Programm.

Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien operiert in einem weit gespannten Feld, künstlerisch wie gesellschaftlich.

Oper von Samuel Barber

Vanessa heißt jene Frau, an deren Schicksal die gleichnamige Oper von Samuel Barber Konflikte um Liebe, Loyalität und Leidenschaft auslotet - im Stile einer Gothic Novel. Man könnte erzählen, dass die Handlung der Oper damit beginnt, dass Vanessa auf ihren Liebhaber wartet, und all die folgenden Täuschungen und Enttäuschungen aufzählen. Man könnte auch interpretierend sagen, die Oper "handle" - jenseits der nacherzählbaren "Handlung" - davon, wie man mit Idealen und Wünschen umgeht, deren Erfüllung einen fatalerweise der Welt abhandenkommen lässt, während die Alternative, der Kompromiss, einem das Selbst abhandenkommen ließe.

Leicht hat es in dieser Oper aus 1958 niemand, denn Barber lässt diese operndramatischen Lebenskonflikte in einer Art berauschender Nachromantik erklingen - volle Farben, opulente Harmonien, verzweifelt schwelgerisch und auffahrend-dramatisch.

Glühender Opernfan

Es fehlt noch die Auflösung der Andeutungen auf die Gothic Novel. Samuel Barber, so ist es überliefert, hatte als Sechsjähriger an der New Yorker Met Verdis "Aida" mit Caruso und seiner Tante, der Altistin Louise Homer, als Amneris gehört. Seit damals war er glühender Opernfan und wusste, dass er Komponist oder Sänger werden wollte. Er wurde beides, aber er schrieb erst mit 48 Jahren diese, seine erste, Oper.

Seit den 1930er Jahren war er immer wieder mit Opernprojekten beschäftigt, aber erst ein Auftrag der Met löste den gordischen Knoten. Barber bat eine Handvoll Literaten erfolglos um ein Libretto, bis ausgerechnet sein Lebensgefährte, der renommierteste Opernlibrettist jener Jahrzehnte und zugleich auch Komponist, Gian Carlo Menotti das Libretto schrieb. Als Vorlage, so gaben die beiden an, hätte eine Geschichte von Isak Dinesen gedient. In dessen Werk aber findet sich keine vergleichbare Geschichte.

Allerdings gibt es Seven Gothic Tales, die Karen Blixen - das ist jene dänische Schriftstellerin, deren Leben als Farmerin in Afrika von Meryl Streep in "Out of Africa" gespielt wurde - unter dem Pseudonym Isak Dinesen herausgeben hatte lassen. Von der Atmosphäre jener Gothic Tales und ihrer ebenso dekadenten wie verklemmten, heftig erotisch-symbolistischen Stimmung ist "Vanessa" auf jeden Fall geprägt.

Großes Chorgesang-Projekt

Der ORF organisiert gemeinsam mit den Wiener Festwochen ein großes Projekt des Chorsingens in Österreich, seit Wochen schon laufen Vor-Auswahlen. Bei der Festwochen-Eröffnung am 13. Mai 2011 bündelt sich die österreichweite Energie des Laienchorsingens zu einem finalen Höhepunkt auf dem Rathausplatz, orchestral getragen vom RSO Wien mit seinem Chefdirigenten Cornelius Meister und Publikumshits von Carmina Burana bis zum Finale der Neunten von Beethoven.

Orchester mit DJs und Rap

Ebenfalls im Rahmen der Festwochen, aber mit der Street Academy von "Into the City", begibt sich das RSO Wien im Mai dann auf ungewohntes Terrain, räumlich wie musikalisch. Es geht um das Instrument "Großes Orchester" und dessen sozial vermeintlich festgelegte Rolle. Mit einem Kompositionsauftrag an Bernhard Gander und in Kooperation mit den Künstler/innen der Street Academy wird an neuer Kunst ebenso wie an einem neuen Selbstverständnis gearbeitet. Großes Orchester also - mit DJs, Rap, Slam Poetry und Breakdance. Eine Uraufführung mitten in einer Shopping Mall, in einer Bilderwelt des 21. Jahrhunderts: Das Orchester ist der Ghettoblaster zu den Geschichten junger Menschen dieser Stadt.

Der Komponist Bernhard Gander bringt diese unterschiedlichen Klangwelten in Verbindung, er schrieb Musik für Orchester, die sich mit den Klängen der jungen Künstler/innen verbindet, ihnen ungewohnte Freiräume und Einbettungen verschafft. Gander lebt in einem der lebendigsten Bezirke von Wien, in Favoriten, wo er die aktuelle Musikkultur der Jugendlichen tagtäglich erlebt. Er schrieb im Auftrag von "Into the City" und dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien das knapp einstündige Werk "melting pot" für Orchester und Solisten der Street Academy.

Diese bietet kostenlose Workshops für Jugendliche in Wiener Parks, Einkaufszentren, Jugendzentren und Gemeindebauten an. Star dieser Szene ist SaRa, sie wird im Kagraner Donauzentrum am 20. Mai ebenso mit dabei sein wie Yasmin Hafedh als Slam Poetristin, der virtuose DJ Kapazunda und Beatboxer Fii. Der junge Chefdirigent des RSO Wien, Cornelius Meister, wird dirigieren, in Ö1 wird dem Projekt eine Ausgabe des neuen dreistündigen Formats Zeit-Ton extended gewidmet sein, im Donauzentrum geht das Konzert dann nahtlos über in eine FM4 Soundpark-Party.

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