Aktuelle Regel "Schande für Österreich"
Uni-Professoren für mehr Geld bei Freispruch
In der Vorwoche haben die Richter, die Anwälte und manche Justizpolitiker höhere Entschädigungen für Anwaltskosten bei Freisprüchen gefordert. Aktualisiert wurde das Problem durch den teuren und langen Tierschützerprozess von Wiener Neustadt. Das muss sich ändern, fordern jetzt auch Uni-Professoren.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 11.05.2011
"Unwürdig", "Schande"
Nach einem Einzelrichterfahren bekommt man derzeit maximal 1.250 Euro Anwaltszuschuss, nach einem Geschworenenverfahren 5.000 Euro. Der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer bezeichnet diese gesetzliche Regelung als "eines Rechtsstaats unwürdig". Und der Innsbrucker Strafrechtsprofessor Klaus Schwaighofer erachtet die Regelung gar als "absolut unbefriedigend, um nicht zu sagen: eine Schande für Österreich".
Exorbitante Kosten möglich
Von 200.000 Euro Anwaltskosten sprechen die in Wiener Neustadt erstinstanzlich freigesprochenen Tierschützer, von 40.000 Euro Prozesskosten berichtet der freigesprochene Anti-Kraftwerksaktivist Markus Wilhelm. Das sind alles offenbar keine Phantasiezahlen, Birklbauer blickt auf den Prozess um den Seilbahnbrand Kaprun zurück. "Dort war der Kostenersatz mit 2.000 Euro nach oben limitiert und die Verteidigerkosten pro Beschuldigten bewegten sich im sechsstelligen Bereich."
3.000 Euro im Normalfall
Und Professor Schwaighofer rechnet vor, was etwa ein ganz normales Einzelrichterverfahren an Verteidigerspesen kostet: "Man kann mit 3.000 Euro ohne weiteres rechnen, wenn eine Hauptverhandlung ungefähr zwei Stunden dauert, dann ein Rechtsmittel ergriffen wird und eine Berufungsverhandlung geführt wird unter Berücksichtigung einiger weiterer Anträge, die beispielsweise im Ermittlungsverfahren gestellt werden."
Richtwerte kein Problem
Beide Professoren verlangen vollen Kostenersatz, wenn der Staat im Strafprozess gegen den Staatsbürger verloren hat. Und wenn sich jemand einen superteuren Staranwalt genommen hat? Kein Problem, meint der Linzer Strafrechtler: Es gebe schließlich für Verteidiger "autonome Honorarrichtlinien, also zulässige Höchstbeträge, an denen man sich beim Kostenersatz orientieren könnte.
Bis zu 5 Mio. Euro in Summe
Und zum Argument, dass das alles fürs Justizbudget sehr teuer werden könnte, sagt Alois Birklbauer: "Wenn ich mir vorstelle, dass die Freispruchquote in Österreich nicht allzu hoch ist, glaube ich dieses Argument nicht." Und Klaus Schwaighofer rechnet: 16 Prozent Freisprüche gibt es im Schnitt Österreich, davon viele ohne Anwalt oder, armutshalber, mit Gratis-Verfahrenshilfe. In Summe rechnet er mit tausend Entschädigungsfällen und einem Betrag von vier bis fünf Millionen Euro. "Das muss verkraftbar sein. Alles andere ist rechtsstaatlich unverträglich", sagt der Innsbrucker Strafrechtsprofessor Klaus Schweighofer.