Neuer Museumsturm in Antwerpen

Rundgang durch das Museum am Strom

Die flämische Hafenstadt Antwerpen hat ein neues Museum: Das Museum am Strom, kurz MAS, steht als ziegelroter Steinturm im alten Hafen, umgeben von einem Dock, das einst Napoleon Bonaparte bauen ließ. Am Wochenende ist das MAS - nach zehn Jahren Planung und zwei Jahren Bauzeit - eröffnet worden.

Kulturjournal, 17.05.2011

Das Museum ist ein Block, verkleidet mit roten Ziegeln aus Indien. Große Teile der Fassade sind aus gewelltem Glas, das dem Baukörper eine Leichtigkeit verleihen soll, erklärt der Architekt Willem-Jan Neuteling: "Der Stein ist sehr stabil, das Glas ist dynamisch. Das ist wie ein Spiel. Das kompensiert die starke Monumentalität des Steinturms."

Durch die 6 Meter hohen Glaswände, die den spiralförmigen Aufgang im Inneren begleiten, hat man Ausblicke in alle Richtungen. Nördlich des MAS - in Richtung Nordsee - erstrecken sich der Hafen und ein immenses Industriegebiet. Im Süden hingegen liegt die Altstadt von Antwerpen mit dem schlanken, 120 Meter hohen gotischen Turm der Kathedrale.

"Das Museum eröffnet einen neuen Raum und belebt eine Gegend, der die Bevölkerung Antwerpens noch vor einigen Jahren den Rücken zugewandt hat. Dieser Standort ist daher eine logische Entsprechung des Anliegens, eine städtebauliche Schnittstelle zwischen den drei Elementen Stadt, Fluss und Hafen, die Antwerpen ausmachen, zu schaffen."

Exponate zur Völkerkunde

Im Inneren des Museums sind auf mehreren Etagen thematische Ausstellungen zu sehen, etwa zu den Themen "Leben und Tod", "Welthafen" und "Machtentfaltung". "Das ist mehr wie ein Theater", meint Neuteling. "Auf jeder Ebene ist eine Vorstellung, die etwas erzählt über die Geschichte von Antwerpen. Jedes Jahr kann man die Themen wechseln, die man sehr breit verstehen kann."

Die Exponate entstammen städtischen Sammlungen, zur Seefahrt und zur Völkerkunde etwa, die zuvor auf andere Gebäude in Antwerpen verteilt waren. Von den rund 470.000 Exponaten sind nur vier Prozent ausgestellt, aber das reicht, um die Ausstellungen wie Antiquitäten-Schauräume wirken zu lassen. Zweifelsohne ist jedes Objekt für sich von kulturellem Wert und erzählt eine Geschichte über die Stadt, aber die überfrachtete Ausstellungsgestaltung nimmt darauf wenig Rücksicht.

Ein Museum muss heute viel leisten können, besonders wenn es aus öffentlicher Hand finanziert ist, und ganz besonders wenn es neu errichtet und eingerichtet wird: Es muss eine architektonische Sensation sein, zweckdienlich, das Stadtviertel beleben und den Genius Loci repräsentieren. Café und Shop braucht es auch. Das Museum am Strom bewerkstelligt all das. Nur die Gegenwartskunst wird vernachlässigt, ist die Meinung des renommierten Künstlers Luc Tuymans, der das MAS als planerische Fehlleistung bezeichnet:

"Ich lebe hier, bin hier geboren und liebe diese Stadt und hoffe, dass sie wieder zurückkommt zu ihrer kosmopolitischen Art, statt provinziell und doof zu sein."

Kritik vom Künstler

Luc Tuymans ist einer der wichtigsten belgischen Künstler der Gegenwart. Den geräumigen Vorplatz des Museums hat er mit einem Mosaik aus Granitsteinen in unterschiedlichen Schattierungen gestaltet. Aus dem obersten Stockwerk des Museumsturmes - das ein Sternerestaurant gepachtet hat und das daher von einem Großteil der Besucher nicht frequentiert wird - erkennt man, was das Mosaik von Tuymans darstellt: ein Wappen mit einem Totenschädel. Die Vorlage, eine Steinplatte zum Gedenken an den Gründer der Antwerpener Malerschule, Quentin Massys, ist am Portal der Kathedrale angebracht.

"Die mythologische Geschichte geht, dass er sich von einem Turm gestürzt hat und deswegen nicht in der Kathedrale begraben werden konnte. Deswegen fand ich, dass das eine interessante Rückkopplung wäre mit der Stadt", so Tuymans. Nur sei das Mosaik zur Eröffnung nicht fertig geworden und die falschen Steine geliefert worden, beschwert sich Tuymans. Schuld sei die Administration.

"Es ist alles eine Geschichte von Paradoxen. Es ist ziemlich belgisch. Natürlich ist mein Mosaik großzügig, meine Stadt ist es aber nicht. Dass sie doof sind und nicht kulturelle interessiert sind. Punkt. Nie wieder. Niemals."

"Nur noch Disneyland"

Seine Vorwürfe adressiert Tuymans nicht ausschließlich an die MAS-Errichter, sondern an die europäische Politik, und deren mangelndes Kulturverständnis allgemein. Statt auf Qualität zu setzen, wolle man das Publikum mit Unterhaltungskultur abspeisen. Die Idee der Kulturlosigkeit, wie sie von nationalistischen Gruppen, nicht nur in Flandern, verbreitet wird, wird sich durchsetzen, prophezeit er:

"Es ist schon deutlich, dass man nur spart. (...) Wir werden nur noch Disneyland sein. Der Tourismus läuft auch durch Kultur. Wir haben das Potenzial noch nicht in den Griff bekommen."

Die Feierstimmung haben sich die Verantwortlichen durch die launischen Aussagen des Künstlers nicht verderben lassen. Immer wieder betonten sie, wie sehr die Stadt dieses Museum gebraucht hat. Und das ist am besten nachvollziehbar, wenn man den ziegelroten Turm von der Ferne in seinem städtischen Umfeld betrachtet - vom anderen Ufer des Flusses Schelde aus, oder aus dem neuen Hafengebiet, aus einigen Kilometern Entfernung.

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Museum am Strom