Für Verbrechen unter Militärdiktatur

Uruguay annulliert Amnestiegesetz

In Uruguay will die Regierung des Präsidenten Mujica ein Amnestiegesetz annullieren, das die durch das Militärregime begangenen Verbrechen zwischen 1973 und 1985 von der Strafverfolgung ausnimmt. Das Parlament soll das Amnestiegesetz für verfassungswidrig und nicht anwendbar erklären.

Mittagsjournal, 20.05.2011

Amnestie seit 1986

Die Regierung in Uruguay konnte bisher jederzeit frei entscheiden, ob eine Straftat in den Bereich des Gesetzes fällt oder nicht. Das Amnestiegesetz wurde 1986 auf Betreiben des damaligen konservativen Präsidenten Julio María Sanguinetti erlassen und von beiden Kammern des Parlaments verabschiedet. 1989 und 2009 bestätigte in einem Referendum das Uruguayische Volk das Gesetz. Jetzt soll das Parlament über ein „Interpretationsgesetz“ entscheiden, mit dem das Amnestiegesetze für verfassungswidrig und nicht anwendbar erklärt werden sollten.

Gefoltert und überlebt

"Wir sind hier, damit die Wahrheit ans Tageslicht kommt und nicht länger verschwiegen wird. Sie müssen endlich reden und endlich öffentlich dazu stehen, was sie uns, den Gefolterten, den Verschwundenen und den Kindern angetan haben und endlich zur Rechenschaft gezogen werden".

Maria Eugenia ist 60 Jahre alt. Während der Militärdiktatur in Uruguay wurde sie im Gefängnis gefoltert. Sie hat überlebt. Sie will endlich Gerechtigkeit sehen für jene, die nicht dasselbe Glück hatten. Doch das uruguayische Volk ist gespalten darüber, wie diese Gerechtigkeit erlangt werden soll.

Gerechtigkeit gefordert

Joaquin Bianchi ist 37 und stimmte in einem Referendum 2009 für die Abschaffung des Amnestiegesetzes, während die Mehrheit sich dagegen aussprach: "Ich bin nicht mit der Form einverstanden, wie sie das Gesetz abschaffen wollen, das bisher die Verantwortlichen der Militärdiktatur geschützt hat. Sie müssen vor Gericht gebracht werden, das ist die einzige Möglichkeit, dass es endlich in diesem sensiblen Kapitel unserer Geschichte Gerechtigkeit geben wird und ein für alle Mal in Uruguay die Wunden geheilt werden können".

Volk sollte nicht befragt werden

Dass sich die jetztige Regierung über den Volkswillen politisch hinwegsetzen will, ist für den ehemaligen Präsidenten Tabaré Vazquez ein Problem, doch der eigentliche Fehler wurde seiner Meinung nach woanders begangen: "Niemals sollte eine Regierung ein Thema wie dieses, das die Menschenrechte stark involviert ausschließlich in die Entscheidungsbefugnis des Volkes geben. Es gibt Themen, bei denen keine Regierung das Recht haben sollte, diese alleine dem Volkswillen zu überlassen, und die Menschenrechte sind ein solches Thema".

Opposition nicht einverstanden

Die Opposition lehnt den Gesetzesvorschlag der Regierungspartei Frente Amplio, vehement ab. Dieser, so der Abgeorndete Pablo Mires sei verfassungswidrig: "Die Mehrheit der Parlamentsabgeordneten des Frente Amplios sind zu weit gegangen. Denn die Verfassung erlaubt der Legislative nicht, Gesetze zu annullieren und zurück zu gehen in der Geschichte, als hätte das Gesetz nie existiert. Das ist juristisch ein völliger Unsinn und stellt die juristische Gewissheit in Frage, die wiederum für eine funktionierende Demokratie grundlegend ist".

Zweimal bestätigt

Zweimal hat Uruguay in einem Referendum das Amnestiegesetz bestätigt. Vielen stößt es auf, dass ihre Stimme übergangen wird. Vor allem jene, der jüngeren Generation sind gegen die Abschaffung des Amnestiegesetzes, wie die 28-jährige Rechtsanwältin Malena Araneo Aguero:
"Ich glaube man sollte die Geschichte ruhen lassen. Die Personen, die in der Zeit gelebt haben, haben bereits darüber entschieden. Ich glaube nicht, dass es gesund wäre alles wieder aufzurollen. Was passiert ist, ist passiert".

Unmut wächst

Nachdem im April der Senat für die Aufhebung des Amnestiegesetzes gestimmt hat, wird nun am 19. Mai das Abgeordnetenhaus, in dem die Regierungspartei über die Mehrheit verfügt, darüber entscheiden. Tatsache ist, dass die Regierungspartei bereits einen politischen Schaden davon getragen hat. Ihre Hinwegsetzung über die beiden negativen Volksabstimmungen wird als undemokratisch kritisiert. Und viele Uruguayer fragen sich, ob beim nächsten Referendum ihre Stimme wieder ignoriert werden wird.