Details präsentiert

AKW-Stresstests ab Juni

In der Europäischen Union werden ab 1. Juni erstmals alle Atomkraftwerke auf ihre Sicherheit getestet. Energiekommissar Günther Oettinger hat die Details der Einigung präsentiert. Diese "Stresstests" schließen Naturkatastrophen sowie Flugzeugunglücke mit ein. Terroranschläge sind vorerst ausgeklammert und sollen später untersucht werden.

Mittagsjournal, 25.05.2011

Katastrophen und Klimafolgen

Am ersten Juni geht's los - alle 143 Atomkraftwerke in Europa werden auf die Auswirkungen von Erdbeben, Überflutungen und menschliches Versagen getestet. Denn aus den Ereignissen von Fukushima habe Europa gelernt, sagt EU-Energiekommissar Oettinger. Hochwassergefahren an Binnengewässern wie am Rhein oder Tsunamiwellen im Atlantik seien genauso zu prüfen wie extreme Kälte und extreme Wärme. In technischer Hinsicht würden die Stabilität der Kühlsysteme und die Sicherheit der Stromzufuhr und der Notstromaggregate geprüft.

Auch Flugzeugabstürze

Strittig bis zuletzt war eben der Punkt menschliches Versagen. Denn EU-Energiekommissar Günther Oettinger wollte überprüft wissen, was passiert wenn ein Flugzeug in einen Atommeiler rast. Als menschliches Versagen gilt ebenso, wenn ein mit Gas beladener Tanker direkt neben einem Atomkraftwerk explodiert. In all diesen Fällen wird überprüft, ob ausreichend Löschmaterial zur Verfügung steht, ob die Rettungskette mit genügend Personal ausgestattet ist und natürlich welchem Druck Wände und Kühlsysteme standhalten.

Kontrolle der Kontrolleure

Die Stresstests gliedern sich dann in drei Schritte: Zuerst prüfen die AKW-Betreiber anhand des vereinbarten Kriterien-Katalogs ihre Anlagen. Überwacht wird das von den nationalen Atomaufsichtsbehörden. Dann kommt es zu einer sogenannten Peer-Review. Sieben Experten aus anderen Mitgliedsländern überprüfen die Ergebnisse und können - sofern noch Fragen offen oder unbeantwortet sind - bei den betroffenen Atomkraftwerken nachbohren, sagt Günther Oettinger: "Das heißt, wir kontrollieren europäisch die Kontrolleure."

Nationale Verantwortung

Ob auch Österreichische Aufseher in die Stresstests von Krsko, Mohovce oder Temelin Einblick nehmen dürfen, wird von Fall zu Fall entschieden. Das war ja stets das österreichische Anliegen bei den Verhandlungen der letzten Wochen. Ist die Peer-Review abgeschlossen, werden die Ergebnisse gemeinsam mit der EU-Kommission veröffentlicht. Die Konsequenzen aber bleiben in nationaler Verantwortung. Das heißt: Fällt ein Atomkraft beim Stresstest durch, kann nicht auf EU-Ebene über eine mögliche Schließung entschieden werden.

Halbes Jahr Verzögerung

Kaum einzuhalten wird das geplante Zieldatum für die Stresstests Dezember 2011 sein. Da die Überprüfung durch die europäische Expertengruppe mehr Zeit in Anspruch nehmen könnte, wird damit gerechnet, dass erst in der ersten Jahreshälfte 2012 alle Ergebnisse auf dem Tisch liegen könnten.

Terrorismus ausgeklammert

Fürs erste gescheitert ist EU-Energiekommissar Oettinger mit seiner Forderung, die Auswirkungen von echten terroristischen Angriffen, wie durch Cyber-Attacken, Bomben oder andere Anschläge zu testen. Zwar haben sich EU-Kommission und die nationalen Atomaufsichtsbehörden ENSREG darauf geeinigt, dass auch diese Fälle getestet werden - dafür aber steht kein Datum fest. Eine Arbeitsgruppe soll sich mit den Modalitäten auseinandersetzen. Fix ist derzeit nur, dass keine Details zu diesen Tests bekannt gemacht werden. Denn das Argument aus den meisten Mitgliedsstaaten lautet: Man wolle den Terroristen keine Gebrauchsanleitung frei Haus schicken und auch nicht die Schwachstellen der Atomkraftwerke bekannt machen.