Chefankläger Brammertz im Interview

Mladic-Prozess "möglichst zügig"

Der Chefankläger des Haager Tribunals, Serge Brammertz, erwartet nun einen möglichst zügigen Prozess gegen Ratko Mladic. Wahrscheinlich noch diese Woche werde Mladic das erste Mal vor dem Gericht erscheinen, wo ihm die Anklage zur Kenntnis gebracht werde, sagt Brammertz im Ö1-Interview. Mehr als 15 Jahre musste das Tribunal auf den mutmaßlichen Kriegsverbrecher warten.

"Wichtige Etappe der Zusammenarbeit"

Der Chefankläger des Haager Tribunals, Serge Brammertz im Morgenjournal-Interview am 01.06.2011 mit Christian Wehrschütz

Zügiger Prozess

Wie es dann weitergeht, hänge weniger von der Anklagebehörde ab, sondern davon, wie lange die Verteidigung zur Vorbereitung brauche. Über die körperliche und geistige Verfassung von Mladic will Brammertz noch nichts sagen. Jedenfalls müsse man eine ähnliche Entwicklung wie bei Radovan Milosevic vermeiden, bei dem der Prozess so lange gedauert hat, dass er unverurteilt gestorben ist. Das Verfahren gegen Mladic müsse so zügig wie möglich geführt werden, so Brammertz.

Jetzt noch Hadzic

Serbien habe mit der Auslieferung von Mladic seine internationalen Verpflichtungen erfüllt, auch wenn es lange gedauert habe. "Das ist eine sehr wichtige Etappe der Zusammenarbeit", so Brammertz. Jetzt hoffe man, dass nun auch Goran Hadzic, der frühere politische Führer der serbischen Volksgruppe in Kroatien, schnell festgenommen werden kann. Wie wichtig die Auslieferung von Hadzic ist, dem letzten noch vom Kriegsverbrechertribunal gesuchten Angeklagten, will Brammertz nicht endgültig beurteilen. Die politischen Schlüsse müssten andere ziehen.

Der Bevölkerung Bedeutung erklären

Die Möglichkeiten des Haager Tribunals zur Geschichtsaufarbeitung sieht Brammertz trotz aller Fahndungserfolge begrenzt: Man müsse der Bevölkerung, die lange hinter Mladic gestanden war, klar machen, "dass es nichts Heldenhaftes an sich hat, Zivilisten zu erschießen oder Gefangene zu exekutieren". Hier sei Gericht gefordert zu erklären, worum es in diesen sehr umfangreichen Urteilen geht. Aber auch die Regierung müsse sagen, worum es geht, "nämlich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit, um Kriegsverbrechen und um Völkermord, und nicht um heldenhafte Aktionen."