Aktivistin: Tausende Mitläufer noch frei

"Mladic-Festnahme reicht nicht"

Die Architektin Aida Daidzic, Menschenrechtsaktivistin und Gründerin einer Hilfsorganisation für im Krieg vergewaltigte und traumatisierte Frauen, ist zwar erfreut über die Verhaftung von Ratko Mladic in Serbien. Für eine echte Versöhnung müssten aber die tausenden Mitläufer ebenfalls zur Verantwortung gezogen werden. Daidzic sieht die Politik in einem Teufelskreis.

"Kein Weg aus dieser Misere zu sehen"

Aida Daidzic, Menschenrechtsaktivistin, im Morgenjournal-Interview am 27.05.2011 mit Barbara Ladinser

Kein Versöhnungswille

"Ich war so erleichtert" - freut sich Aida Daidzic im Ö1 Morgenjournal über die Festnahme von Ratko Mladic. "Die Toten kann man nicht wieder lebendig machen. Aber zu wissen, dass es kein Versteck für diese Verbrecher gibt, ist schon - wie soll ich sagen - heilend." Doch die Äußerung des serbischen Präsidenten Boris Tadic, dass nun ein weiterer Schritt zur Versöhnung möglich sei, hält Daidzic nicht für glaubwürdig. Er liefere Mladic aus, weil es serbischen Interessen diene, und nicht der Gerechtigkeit, des Friedens oder der Versöhnung wegen.

Tausende Mitläufer

Die Verhaftung Maldics allein reicht jedenfalls nach Ansicht der Menschenrechtsaktivistin nicht: "Das ist wie in Südafrika. Da sind noch viele Leute, die sich schuldig gemacht haben auf grausamste Weise. Man kann nicht so tun, als ob Mladic mit eigenen Händen tausende umgebracht hat. Das waren tausende Mittäter. Für wahre Versöhnung muss das ein Gesicht bekommen, muss man den kleinen Mitläufern den Prozess machen."

Trennung international gestützt

Der Versöhnung stehe auch die Politik sehr im Wege, beklagt die Architektin. Auch die internationale Politik habe bisher die Trennung unterstützt und keine Schritte gegen diese nationalistische Teilung unternommen. Die politischen Parteien seien auf Stimmenfang und würden die Völker in den Konflikt treiben. Und die Führer dieser Parteien würden von der internationalen Gemeinschaft unterstützt. "Wir kommen aus diesem Teufelskreis nicht raus. Der politische Alltag von Korruption und Nationalismus hat sich so verfestigt. Und das macht mich sehr frustriert, weil wir den Weg aus dieser Misere nicht sehen. Ich sehe keine Personen, die humanistische Visionen haben und die Politik in Bosnien ändern könnten."

Trennung seit dem Krieg

Bosnien-Herzegowina hat durch den Krieg die radikalste Veränderung erfahren. Serben, Kroaten und bosnische Muslime, die hier vorher friedlich miteinander gelebt haben, leben heute - bis auf Sarajewo und einige wenige gemischte Gebiete - weitgehend getrennt. Ein kompliziertes politisches System unter internationaler Aufsicht verwaltet hier die Republika Srbska und dort die bosnisch-kroatische Föderation. Tonangebend sind bei allen drei Völkern nationalistische Parteien. Konfrontation, Misswirtschaft und Korruption dominieren die Politik.

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