Ein erster Rundgang
Hervorragender Biennale-Jahrgang
"Illuminations" lautet das Motto der Kunstbiennale in Venedig, die an diesem Wochenende eröffnet wird. In den Länderpavillons präsentieren die Nationen ihre jeweils spannendsten Künstler: 89 sind es heuer, eine Rekordzahl, denn erstmals sind auch Saudi Arabien, Haiti, oder Bangladesh mit dabei.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 03.06.2011
Darüber hinaus werden 83 weitere internationale Künstler in der zentralen Ausstellung des Arsenale gezeigt. Von den "Erleuchtungen aller Art" in Venedig berichtet Sabine Oppolzer, die sich bereits vor der Eröffnung am Biennale-Gelände umgesehen hat.
Die Boote sind voll, die die Kunstliebhaber schon während der Preview-Tage zu den Giardini bringen. Menschenschlangen bilden sich da und dort, die längste vor britischen Pavillon. Über seine Schwelle betritt man die gespenstische Welt von Mike Nelson, der hier in dreimonatiger Arbeit ein Kellerlabyrinth aufgebaut hat: staubig und menschenleer, mit Türen, die ins Nichts führen, da und dort liegen noch Zigarettenstummel im Aschenbecher, oder ein Maschinengewehr am Tisch.
Licht und Schatten
Die perfekte Kulisse für lichtscheue Existenzen und kriminelle Handlungen. Denn das Thema "Illuminations" umfasst nicht nur das Licht, sondern auch den Schatten. Natürlich auch die philosophische Erleuchtung, wie sie etwa Christian Boltanski im französischen Pavillon zum Thema Zufall und Tod zelebriert. Indem er über ein raumgreifendes Gerüst Filmstreifen laufen lässt, die Schwarzweißaufnahmen von Babies kurz nach der Geburt zeigen. Mit lautem Getöse rattern die kleinen Gesichter da kreuz und quer durch den Raum, bis, ja bis die Räder plötzlich still stehen.
Christian Boltanski sagt: Jedes dieser Babies ist ein unbeschriebenes weißes Blatt. Bis das Schicksal entscheidet: entweder zum Guten oder zum Bösen.
Schlingensiefs Vermächtnis
Im deutschen Pavillon wird die religiöse Erleuchtung inszeniert, wie sie der schwer kranke Künstler Christoph Schlingensief kurz vor seinem Tod gesucht haben mag - er starb kurz, nachdem er für die Biennale nominiert worden war. Mit dem düsteren Bühnenbild, das Schlingensiefs Taufkirche in Oberhausen nachbildet, nimmt man den Kunsttempel gar nicht mehr wahr.
Das Szenario war ursprünglich für Schlingensiefs "Kirche der Angst vor dem Fremden in mir" für die Ruhrtriennale bestimmt. Es ist eine neugotische Kirche samt Apsis, Kerzen und Monstranz, die hier aufgebaut wurde, an den Wänden laufen die Filme von Christoph Schlingensief, die seine Passionswege auf deftige Weise darstellen, samt verwesender Tiere, Schamhaar und Begräbnisritualen.
Nach langen Diskussionen hat sich Susanne Gaensheimer, die Kuratorin des Deutschland-Pavillons, entschieden, dem Enfant terrible der Kunstszene den Pavillon trotz seines Ablebens zu widmen. Ein Projekt zwischen Geisterbeschwörung und Ehrung.
Hervorragender Biennale-Jahrgang
Mit einem vielschichtigen Thema, das sich angefangen von Tintoretto als Maler des Lichts stringent durch das ganze Areal verfolgen lässt, verspricht diese Biennale - gestaltet von der Schweizerin Bice Curiger - zu einer der besten des letzten Jahrzehnts zu werden.