Ermittlungen wegen Verjährung eingestellt
Über 100 Anzeigen - keine Anklage
Der Skandal um sexuellen Missbrauch und Misshandlungen durch Vertreter der katholischen Kirche in Österreich wird so gut wie keine strafrechtlichen Folgen haben. Nach Anzeigen in mehr als hundert Fällen im Vorjahr haben die Staatsanwaltschaften nun bis auf ein Verfahren alle Ermittlungen eingestellt - und zwar wegen Verjährung.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 10.06.2011
Taten liegen zu lange zurück
Vor knapp einem Jahr hat die Klasnic-Kommission mit ihrer Anzeige gegen Verantwortliche der Schulbrüder für Aufsehen gesorgt. Aber zu einer Anklage führen sie nicht. Die Staatsanwaltschaft Wien hat ihre Ermittlungen gegen insgesamt 28 Beschuldigte aus kirchlichen Einrichtungen, davon 15 der Schulbrüder eingestellt - zum Teil wegen Todes der Beschuldigten, zum Teil wegen Verjährung, so Staatsanwaltschaftssprecher Thomas Vecsey.
Keine Beschuldigten befragt
Und weil die Vorwürfe schon verjährt sind, hat die Staatsanwaltschaft auch keine Beschuldigten befragt. Ob sie Übergriffe zugeben, bleibt strafrechtlich also ungeklärt. Von der Polizei einvernommen wurden lediglich 18 mutmaßliche Opfer, Betroffene und Zeugen. Die Vorwürfe: Vor allem Gewalt und auch sexueller Missbrauch elf Beschuldigte betreffend. Darunter war der ehemalige Provinzial, der oberste Vertreter der Schulbrüder für Zentraleuropa. Staatsanwalt Vecsey: "Gegen diesen Beschuldigten wurde das Verfahren wegen Vernachlässigung unmündiger Personen, Missbrauchs von Unmündigen und Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses geführt." Auch diese Vorwürfe sind laut Staatsanwaltschaft verjährt.
Keine Neuaufnahme mangels Beweisen
Und ein Vergewaltigungsvorwurf aus jüngerer Zeit sei aus anderen Gründen nicht neuerlich untersucht worden. Eine Mutter sagt, ihr Sohn sei als Internatsschüler bei den Schulbrüdern von sieben Tätern missbraucht worden. Staatsanwaltschaftssprecher Vecsey entgegnet, die Ermittlungen dazu seien in den 90er Jahren abgeschlossen und eingestellt worden. Man habe daher nicht noch einmal ermitteln und das mögliche Opfer befragen dürfen. Es seien keine neuen Beweismittel vorgebracht worden, die das gerechtfertigt hätten.
Ein Verfahren noch übrig
Somit bleibt von den im Vorjahr erstatteten Anzeigen mehrerer hundert Betroffener gegen mutmaßliche Täter aus der katholischen Kirche ein einziges Verfahren übrig. Nur die Staatsanwaltschaft Steyr ermittelt noch - gegen einen Mönch aus Kremsmünster, wegen Gewaltdelikten und sexuellen Missbrauchs, weil er 1997 noch eine Tat gesetzt haben soll. Und - so zynisch das für die Betroffenen klingen mag - ob der Mönch angeklagt wird, hängt davon ab, wie schwer die psychischen Folgen seiner Taten sind. Das soll nun eine Sachverständige klären, sagt Andreas Pechatschek, Staatsanwaltschaftssprecher in Steyr. Denn bei schweren Folgen sei die Verjährungsfrist länger als bei Delikten mit geringerer Strafdrohung.
Verlängerung kam zu spät
Das Parlament hat zwar vor eineinhalb Jahren zwar die Verjährungsfristen für sexuellen Kindes-Missbrauch verlängert. Aber diese Änderung gilt nicht rückwirkend für Taten die bereits einmal verjährt waren.
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