Fünf Monate Machtvakuum

Libanon: Hisbollah dominiert neue Regierung

Nach fünf Monaten hat der Libanon wieder eine Regierung. Der von der radikalislamischen Hisbollah unterstützte Regierungschef Najib Mikati stellte das neue Kabinett vor, in dem die Hisbollah und deren Verbündete die meisten der 30 Minister stellen.

Mittagsjournal, 14.06.2011

19 Hisbollah-Leute in Regierung

Syriens Machtstellung im Nahostraum wird durch die Kämpfe gegen das eigene Volk in Frage gestellt: als Schutzmacht Libanons mussten die Syrer ihr Militär bereits vor Jahren abziehen. Im Libanon soll das fünf Monate andauernde Machtvakuum jetzt gefüllt werden - das könnte allerdings explosiv werden, weil Ministerpräsident Najib Mikati ankündigt, dass die iranisch-orientierte Hisbollah 19 der 30 Regierungsposten besetzen werde.

Partei Gottes im Aufwind

Schon mit ihrem Namen demonstriert die Hisbollah, dass sie eine besondere Rolle für sich in Anspruch nimmt - Hisbollah heißt übersetzt Partei Gottes - nicht mehr und nicht weniger. Die schiitische Bewegung war schon in früheren libanesischen Einheitsregierungen vertreten, so viele Kabinettsposten wie jetzt hatte sie aber noch nie. 19 der insgesamt 30 Ressorts fallen der Hisbollah zu - damit dominiert sie das Kabinett, die restlichen 11 Posten teilen sich der pro-syrische sunnitische Solidaritätsblock, die Progressiven Sozialisten des Drusen-Führers Walid Dschumblatt, der christliche Ex-General Michel Aoun und Politiker, die von Präsident Michel Suleimane ernannt werden.

Enge Bande mit Syrien

Und auch der Chef der neuen Regierungsmannschaft ist ein Mann der Hisbollah: Nadschib Mikati, ein sunnitischer Geschäftsmann. 56 Jahre alt, Milliardär und ein enger persönlicher Freund des syrischen Präsidenten Bashar al Assad: "Durch unsere Kooperation haben wir alle Probleme bewältigt, die der Regierungsbildung im Wege standen", erklärt Mikati, "wir werden uns sofort an die Arbeit machen", er verspricht immer gemäß der Verfassung zu handeln, sowie die Unabhängigkeit und Souveränität des Libanon zu verteidigen. Darüber hinaus wolle er den nationalen Dialog wiederbeleben, so der neue Regierungschef von Hisbollahs Gnaden.

Hariri jetzt in Opposition

Mit Saad Hariris sunnitischer Partei wird Mikati auch weiterhin nicht rechnen können und wahrscheinlich auch gar nicht wollen. Hariri hat es von Anfang an abgelehnt, in einer Regierung zu arbeiten, die von einem Hisbollah unterstützten Ministerpräsidenten geführt wird.

Pro-westliche Kräfte wird man in dem neuen Kabinett also vergeblich suchen. Hariris prowestliche Koalition ist nun in Opposition. Die neue Regierung muss noch vom Parlament bestätigt werden. Die Hisbollah geführte Koalition verfügt dort über eine knappe Mehrheit.

Ermittlungen des UNO-Tribunals in Gefahr

Für Israel und die USA könnte damit ein Alptraum Wirklichkeit werden. Für Washington und Jerusalem ist die Hisbollah eine Terrororganisation. Der Westen befürchtet, dass der neue libanesische Regierungschef im Auftrag der Hisbollah die Zusammenarbeit mit dem UNO-Sondertribunal für die Aufklärung von Politkermorden im Libanon unterminieren wird. Das Tribunal soll nämlich Anklagen gegen Hisbollah-Funktionäre vorbereitet haben, die in den Mordanschlag auf Rafik Hariri, verwickelt sein sollen, den Vater des früheren Regierungschefs.

Die Hisbollah will das nicht hinnehmen, denn innerhalb der arabischen Welt gilt die sogenannte Partei Gottes noch immer als moralisch einwandfreie Organisation. Sollte sich nun herausstellen, dass sie morden ließ, um Einfluss auf die libanesische Politik zu nehmen, würde das ihr Ansehen massiv schädigen. Mikati könnte das verhindern und damit vollends zum Werkzeug der Hisbollah und Syriens werden.

Politikexperte: Mikati muss Konsens suchen

Was für ein Mann ist dieser neue libanesische Premierminister? Für den Libanonexperten des Berliner Instituts für Wissenschaft und Politik, Heiko Wimmen, ist Mikati ist Konsenskandidat zwischen den beiden Lagern im Libanon. Seine Nagelprobe wird er gegenüber dem UNO-Sondertribunal für die Aufklärung von Politikermorden im Libanon bestehen müssen.

Mittagsjournal, 14.06.2011

Heiko Wimmen im Gespräch mit

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