"Regierung muss für alte Schulden geradestehen"
Griechenland versinkt im Streik
Ein neuer Tag der Wut und des Widerstands ist heute in Griechenland. Um gegen das extreme Sparprogramm der Regierung zu protestieren, haben die griechischen Gewerkschaften für heute einen Generalstreik ausgerufen - es ist der dritte große Protesttag in diesem Jahr. Der Experte Jens Bastian sieht sehr wohl eine Verantwortung bei den Griechen, was fehle sei ein nationaler Schulterschluss.
8. April 2017, 21:58
Abgeordnete an der Arbeit hindern
Bereits zeitig in der Früh haben die Demonstranten begonnen sich auf dem Syntagma Platz vor dem Parlament in Athen zu versammeln. Sie wollen eine riesige Menschenkette um das Gebäude bilden um die Abgeordneten daran zu hindern die neuen Sparmaßnahmen zu beschließen.
"Opfer für nichts und wieder nichts"
Auch in mehreren anderen Stadtteilen von Athen haben sich größere Demonstrantengruppen gebildet. Für sie haben die bisherigen Sparpakete versagt. Sie wollen nicht noch mehr Einschnitte in ihr Leben. Dieser Demonstrant ist empört. Er ist 35 Jahre alt, und arbeitet in einer Versicherung: "Europa glaubt dass wir Griechen nichts arbeiten, dass wir faul sind, dass wir den ganzen Tag am Strand verbringen. Das ist nicht wahr. Wir, die junge Generation arbeiten zehn bis zwölf Stunden am Tag, und jetzt sagt uns die Regierung, dass all die Opfer die wir gebracht haben für nichts waren."
Alles streikt, außer Fluglotsen
Zusätzlich zu den Demonstrationen haben die großen Gewerkschaften während der letzten Tage die Menschen zum Generalstreik aufgerufen. Heute Früh gibt es keine öffentlichen Verkehrsmittel, aber auch die Taxis und die Fähren sind blockiert.
Nur die Fluglotsen wollen diesmal nicht an dem Generalstreik teilnehmen. Sie haben sich entschieden zu arbeiten, denn die Touristen Saison hat begonnen. Sie wollen nicht schuld an der Krise sein. Doch die Fähren die zu den Inseln führen bleiben heute in den Häfen.
Mitten auf dem Syntagma Platz ist befindet Melanie, sie hofft, dass durch die Demonstration die Entscheidungen zurückgenommen werden. "Wir werden entschlossen weiterkämpfen", sagt Melanie.
Abgeordnete könnten gegen Sparpaket stimmen
Einige Abgeordnete haben bereits nachgegeben. Gestern hat aus Protest gegen die Pläne ein Parlamentarier seinen Austritt aus der Fraktion der Sozialisten von Ministerpräsident Papandreou angekündigt. Damit bleibt der Regierungspartei eine Mehrheit von nur mehr fünf Sitzen. Ein weiterer hat bereits gedroht, ebenfalls gegen die Sparpläne zu stimmen. Sollten weitere folgen, so könnte das gesamte Sparpaket in Frage gestellt werden und damit auch die Griechenlandhilfe der Europäischen Union.
Mittagsjournal, 15.06.2011
Keine Konsenskultur in Griechenland
Jens Bastian, Universitätsprofessor für Wirtschaftspolitik in Oxford, sieht im Ö1-Mittagsjournal-Interview sehr wohl eine Verantwortung bei den Griechen und der griechischen Bevölkerung. Es gebe keinen nationalen Schulterschluss in Griechenland: zwischen Bevölkerung, Gewerkschaften und Politik, denn die Griechen würden die Kultur des "Runden Tisches" nicht kennen.
Derzeitige Regierung muss alte Schulden abzahlen
Bastain sagt, dass die derzeitige Regierung das große Problem habe, dass sie die Rechnung für die konservative Vorgängerregierung zahlen müsse. Regierungschef Jorgos Papandreou müsse sehr alte Schulden, die vor 20 Jahren gemacht worden seien jetzt abtragen. Das sei eine Herkulesaufgabe und dafür brauche es Zeit, die Europa Griechenland einräumen müsse.
Mittagsjournal, 15.06.2011
Ö1-Mittagsjournal-Interview mit Jens Bastian, Professor für Wirtschaftspolitik
Privatisierungen falsch
Er halte die Privatisierungen für einen Fehler. Zudem sei es politisch falsch, sich festzulegen, dass man bis 2015 50 Milliarden Euro Erlös aus Privatisierungen erreichen wolle. Diese Kennzahlen seien so hoch angesetzt, dass man daran scheitern müsse.
Übernahme des Euro
Bastian verneint, dass Griechenland sich in die Euro-Zone hineingetrickst habe. Das Land sei mit einem Jahr Verspätung in die Euro-Zone eingetreten und das sei eine politische Entscheidung gewesen. Viele anderen europäische Länder sollten da zuerst einmal vor ihrer eigenen Haustür kehren. Er glaube, dass Griechenland auf alle Fälle in der Euro-Zone bleiben werde.