Der ausgeladene Salzburg-Redner im Berliner Ensemble

Jean Ziegler trifft Claus Peymann

Der 76-jährige Schweizer Jean Ziegler war UNO-Sonderbeauftragter für Recht auf Nahrung und ist heute Mitglied des beratenden Ausschusses des UNO-Menschenrechtsrates - und er sollte ursprünglich die Eröffnungsrede der diesjährigen Salzburger Festspiele halten. Die Einladung zu einer Gegenversanstaltung hat er inzwischen ausgeschlagen.

Ziegler soll ausgeladen worden sein, weil einige Schweizer Sponsoren dies gewünscht hätte, sagt Ziegler. Von Seiten der Salzburger Festspiele wird dies dementiert. Mittwochabend hat Ziegler dennoch gesprochen - und zwar am Berliner Ensemble, das Claus Peymann leitet. Titel der Veranstaltung: "Der Hass auf den Westen. Wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren".

Kultur aktuell, 30.06.2011

Zusammenfassung der Diskussion im Berliner Ensemble

Hätte er von Anfang an die Wahl gehabt zwischen Großem Festspielhaus und Berliner Ensemble (BE), sagt Ziegler mit einem Seitenhieb auf die Festspiele, wäre er immer schon nach Berlin gekommen, "weil hier nicht die Geldsäcke sitzen".

Jean Ziegler bezog sich in der Diskussion mit Claus Peymann in der ausverkauften Probebühne des BE vor allem auf sein Buch "Der Hass auf den Westen". Die kapitalistische Produktionsweise, rechnet Ziegler vor, hätte dazu geführt, dass 2010 die 500 größten Privatkonzerne aller Sektoren zusammengenommen 52,8 Prozent des Weltbruttosozialprodukts beherrschen würden. Diese Kontrolle über knapp mehr als die Hälfte aller in einem Jahr produzierten Waren, Patente, Dienstleistungen usw. sei mehr Macht, als es auf diesem Planeten je ein König, ein Kaiser oder ein Papst je gehabt habe, so Ziegler.

Dieser Westen bekomme jetzt den Hass des Südens zu spüren. Das sind für Jean Ziegler in erster Linie die Staaten Afrikas und Lateinamerikas. Weitere Ausschnitte aus dem Gespräch hören Sie im Audio.

Ziegler hält keine "Gegenrede"

Indes hat Ziegler die Einladung zu einer Gegenveranstaltung in Salzburg ausgeschlagen. Ziegler wird am Eröffnungstag der Salzburger Festspiele am 27. Juli keine "Gegenrede". In einem Brief an den Leiter der Robert-Jungk-Stiftung, Walter Spielmann, begründete er seine Absage mit möglichen Terminkollisionen.

Die Einladung zu einer alternativen Gegenveranstaltung in der Stadt Salzburg erhielt der Schweizer von einer Plattform aus Kulturinitiativen und Friedensbewegungen. Die Einladung bedeute für ihn eine große Ehre, schrieb Ziegler an die Salzburger Bibliothek für Zukunftsfragen, doch er werde in den nächsten Wochen häufig in New York sein und wisse deshalb nicht, wo er sich am 27. Juli aufhalte. "Sobald es mir meine Zeit erlaubt, werde ich gerne nach Salzburg kommen."

In Nordafrika unterwegs

Die Plattform wartete bereits seit Wochen auf eine Antwort Zieglers. Dieser befand sich auf einer mehrwöchigen UNO-Mission in Nordafrika und kehrte kürzlich "tief bewegt" zurück, wie er schilderte. "Von Syrien bis Bahrein und Jemen hoffen die aufständischen, todesmutigen Menschen bisher umsonst auf die konkrete Hilfe der internationalen Gemeinschaft, denn die UNO ist gespalten", berichtete er unter anderem dem Leiter der Robert-Jungk-Stiftung.

Spielmann zeigte Verständnis für "sonstige politische Aktivitäten" Zieglers, verbarg aber im APA-Gespräch nicht seine Enttäuschung. "Wir sind natürlich sehr enttäuscht, dass er die Einladung nicht wahrnehmen kann. An diesem Tag in Salzburg zu sprechen, wäre besonders wichtig gewesen. Er hätte mit der Botschaft all die erreicht, die er auch erreichen wollte - um eine bessere Welt zu ermöglichen, für die er kämpft." Spielmann bezeichnete die Absage als "eine ausgelassene Chance". "Seine Bereitschaft, nach Salzburg zu kommen, ist ja aufrecht. Wir werden uns überlegen, wie wir sein Angebot annehmen können."

Intervention bei Landeshauptfrau?

Ziegler hatte in seinem Brief an Spielmann, welcher der APA vorliegt, auch zu dem Ausladungsschreiben von Burgstaller vom 24. März Bezug genommen. "Inzwischen hatten - höchster Wahrscheinlichkeit nach - zwei Schweizer Großbanken und ein Nahrungsmittelkonzern, Sponsoren der Festspiele, bei der Landeshauptfrau interveniert. Dass internationale Privatkonzerne bestimmen können, wer in Salzburg reden darf und wer nicht, ist natürlich störend und sicher auch gefährlich für die Demokratie. Die Plattform der Zivilgesellschaft versucht mit ihrer ehrenvollen Einladung das Veto der Konzerne zu korrigieren. Ihre Einladung bedeutet für mich eine große Ehre und ich danke Ihnen dafür."

Die offizielle Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele am 27. Juli hält nun der Bürgerrechtler und spätere Leiter der Stasiakten-Behörde, Joachim Gauck. Der evangelische Pfarrer war führendes Mitglied bei der friedlichen Revolution in der DDR und später Leiter der Behörde, die den Stasi-Nachlass verwaltet und zugänglich macht.