Neue Demonstrationen in Ägypten

Die gestoppte Revolution

In Kairo sind für heute neue Großdemonstrationen angekündigt. Viele Ägypter sind unzufrieden. Es scheint, als ob ihre Revolution ins Stocken geraten sei. Tatsächlich wird das Land noch eine ganze Weile brauchen, bis in Ägypten Parlamentswahlen stattfinden können.

Karim El-Gawhary aus Kairo

Langsamer Wandel

Von einer Revolution, die fest steckt, möchte Ö1-Korrespondent Karim El-Gawhary nicht sprechen. In Ägypten hat sich seit den Protesten am Tahrir-Platz vieles verändert. „Viele von der alten Mubarak-Clique sind im Gefängnis, die Regierung wurde aufgelöst, die Regierungspartei wurde aufgelöst“, sagt El-Gawhary.

Im Filz des Mubarak-Systems

Trotzdem gehe den Menschen der Wandel zu langsam voran, erklärt El-Gawhary. Beispielsweise empört viele Ägypter, dass einige Polizisten auf Kaution frei gelassen wurden, die unter Verdacht stehen für den Tod von Demonstranten während der Aufstände gegen Mubarak verantwortlich zu sein. Auch der Wandel im Innenministerium und im Sicherheitsapparat geht in den Augen vieler Ägypter viel zu schleppend voran.

Wiederbelebte Protestbewegung

An Spitze der wiederbelebten Protestbewegung stehen die gleichen Menschen, die schon die Protestbewegung initiiert haben und während der 18 Tage des Zorns am Tahrir-Platz standen: junge Menschen verschiedenster politischer Couleur. „Wir brauchen noch einmal einen Schub, um das Ganze weiterzubringen“, beschreibt El-Gawhary die Motive der Aufständischen.

Muslim-Brüder unentschlossen

Ursprünglich wollten sich die Muslim-Brüder nicht an den neuen Protesten beteiligen. „Die Islamisten wollten, dass wieder eine Art Normalität eintritt, und nicht, dass erneut demonstriert wird“, erklärt El-Gawhary den Rückzieher der Muslim-Brüder. Schließlich fügten sich die Muslim-Brüder aber der Stimmung im Land: Sie werden nun doch an den neuerlichen Demonstrationen teilnehmen. „Es ist heute für eine politische Partei in Ägypten schwierig, außerhalb der Protestbewegung zu bleiben“, sagt El-Gawhary.

Parlamentswahlen im September?

Der für Ende September geplante Termin für die Parlamentswahlen ist wackelig. Ägypten befindet sich derzeit noch in einem Dilemma. „Einerseits möchten die Menschen, dass das Land zu einer Art Normalität übergeht, dass das Militär wieder in die Kasernen zurückgeht, dass man ein Gremium an der Spitze des Landes hat, das rechenschaftspflichtig ist“, sagt El-Gawhary, „andererseits weiß man, dass die politische Szene in Ägpyten noch nicht richtig bereit ist für die Wahlen, dass die Jüngeren, die die Proteste am Tahrir-Platz organisiert haben, noch nicht genug Zeit gehabt haben, um sich zu organisieren.“