Hohe Jugendarbeitslosigkeit in der Slowakei

Die Arbeitslosen von Rimavska Sobota

Obwohl in der Slowakei die Wirtschaft kräftig wächst, ist die Arbeitslosigkeit sehr hoch. Unter den jungen Slowaken beträgt sie 35 Prozent. Während der Ballungsraum rund um Bratislava boomt, steigt die Jugendarbeitslosigkeit im Süden und Osten des Landes stetig an.

Mittagsjournal, 9.7.2011

Ernst Gelegs aus Rimavska Sobota (Slowakei)

In der Peripherie

Ein riesiger, ziegelroter Fabrikschlot ist Blickfang der 24.000 Einwohnerstadt Rimavska Sobota im Südosten der Slowakei. Der Schlot gehört zu einer Getreidemühle, die nach der Wende ihren Betrieb einstellen musste. Es hat sich bis heute kein Investor gefunden, der den unrentablen Mühlenbetrieb kaufen wollte. Hunderte Arbeitsplätze sind dadurch verloren gegangen. Und weitere hunderte in Betrieben, die von der Mühle abhängig waren.

Übrig geblieben sind die Menschen, die nicht wissen, wo sie ihren Lebensunterhalt verdienen können. Sie alle drängen sich im Arbeitsamt um die rar gewordenen Jobs. Die Chefin des Arbeitsamtes von Rimavska Sobota, Livia Koosova sagt: „Die Struktur und die Gründe der Arbeitslosigkeit wurden verursacht vor allem durch das zu Grunde gehen der Industrie- und Agrargenossenschaften und dadurch dass keine Infrastruktur aufgebaut worden ist.“ Karol Morvay, Arbeitsmarktexperte an der Wirtschaftsuniversität Bratislava, ergänzt: „Die ausländischen Investitionen werden entweder in Bratislava getätigt, oder im Korridor zwischen Bratislava und Zilina, wo die Infrastruktur gut ist.“

Keine Jobs für Akademiker

Seit Schulschluss haben sich in Rimavska Sobota fast 300 junge Absolventen arbeitslos gemeldet. Sie kämpfen um zwanzig freie Stellen. Grundschulabsolventen sind chancenlos, aber auch Hochschulabgänger finden in ihrer Heimatregion kaum noch Arbeitsplätze, wie uns die 25-jährige Ernährungswissenschafterin Gabriela sagt: „In dieser Region ist es sehr schwer für junge Akademiker Arbeit zu finden, weil es wenig Firmen gibt, die interessante Jobs für qualifizierte Arbeitskräfte bieten.“

Ein weiterer bedeutender Grund für die hohe Arbeitslosigkeit in der Slowakei ist neben der mangelnden Infrastruktur in den Randregionen auch die Vernachlässigung des Bildungssystems im ganzen Land. Das räumt auch die Sprecherin des slowakischen Arbeitsministeriums Slavomira Selesova ein: „Das Bildungssystem in der Slowakei entspricht nicht den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes. Das heißt, die Bildungseinrichtungen bringen Arbeitskräfte hervor, die nicht gebraucht werden.“

Bildungssystem nach Wende verschlechtert

Das typische europäische duale Ausbildungssystem mit Theorie in der Schule und Praxis im Betrieb ist nach der Wende vernachlässigt worden, sagt der Arbeitsmarktexperte Morvay: „Es existiert keine Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und Firmen. Das duale Bildungssystem, wie in Europa üblich, existiert bei uns nicht mehr, leider.“

Denn mit dem Zusammenbruch unrentabler Staatsbetriebe wurden auch die dazugehörigen Ausbildungseinrichtungen geschlossen und bis heute nicht wieder aufgebaut. Die Folge ist ein Facharbeitermangel in den Ballungsräumen und hohe Arbeitslosigkeit in den Randregionen.