Enttäuschte Ägypter demonstrieren wieder

Ägyptens Revolution noch nicht zu Ende

In Ägypten gehen die Menschen wieder auf die Straße. Sie sind zurück, um ihre Revolution zu retten, wie sie sagen. Die Demonstranten haben auf dem Tahrir-Platz in Kairo erneut ihre Zelte aufgebaut. Warum sie wieder gekommen sind, und warum es ihrer Meinung nach nicht schnell genug mit ihrer Revolution vorangeht, hat sie Ö1-Korrespondent Karim El-Gawhary gefragt.

Mittagsjournal, 09.07.2011

Aus Kairo

Geist des alten Regimes

Auch in der Nacht zogen die Demonstranten nicht ab, nachdem sie gestern den Tahrir-Platz in Kairo zurückerobert hatten. Erst kamen sie zum Freitaggebet zusammen, aber schon bald wurde klar, sie sind gekommen, um sich wie zu den Tagen Mubaraks auf dem Platz im Zentrum Kairos einzurichten. An vielen Stellen sind inzwischen wie damals wieder Zelte aufgebaut. Sie demonstrieren, weil die Forderungen ihrer Revolution immer noch nicht verwirklicht wurden. „Die Militärführung benimmt sich wie zu Zeiten Mubaraks und stellt die Demonstranten vor Militärgerichte. Das können wir nicht zulassen“, erklärt die junge Lehrerin Mariam Abdel Baqi.

Der Student Ahmad Ali steht auf dem Platz und debattiert leidenschaftlich mit seinen Freunden: „Wir wollen Gerechtigkeit sehen, vorher werden wir uns nicht beruhigen. Wenn das nicht geschieht, werden wir da weitermachen, wo wir unter Mubarak aufgehört haben. Wir gehen hier nicht mehr weg. Entweder werden sie uns los oder wir werden sie los.“

Demonstranten-Mörder auf freiem Fuß

Vor allem einige Entscheidungen der Justiz lösten bei den Ägyptern Unmut aus. Zum Beispiel, dass Polzisten auf freien Fuß gesetzt werden, die angeklagt waren, für den Tod von Demonstranten verantwortlich zu sein. Oder dass eine Reihe von Ministern von dem Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder freigesprochen wurde.

Und dann ist da noch die darniederliegende Wirtschaft, allein wegen der ausbleibenden Touristen schreibt das Land tägliche Verluste von 40 Millionen Dollar. Auch die Sicherheit ist ein großes Thema, nachdem sich die Polizei praktisch aus dem Straßenbild verabschiedet hat. Außer wenn sie gegen Demonstranten vorgeht, wie letzte Woche als sie Sicherheitskräfte und Demonstranten eine mehrtägige Straßenschlacht rund um das Innenministerium lieferten.

Köpferollen bei Polizei noch ausständig

Die Demonstranten auf dem Tahrir fordern auch eine umfassende Reform des alten berüchtigten Sicherheitsapparates. Neue Köpfe braucht die Polizei. Die hohen Polizeioffiziere die unter Mubarak ihr Handwerk gelernt haben, sollen keinen Platz mehr im Innenministerium finden.

Für den poltischen Aktivisten Muhammad Mustafa ist eines klar. „Nur Gerechtigkeit wird am Ende Sicherheit schaffen, damit wieder Ruhe einkehrt. Wenn es keine Gerechtigkeit gibt, dann wird dieses Chaos weitergehen. Das Innenministerium muss ernsthaft in seine Reihen aufräumen mit den alten Leuten dort, die immer noch das Sagen haben und die nicht arbeiten wollen. Wenn das Land wieder stabil werden soll, dann brauchen wir Sicherheit und Gerechtigkeit.“

Er will wie viele andere auf dem Platz bleiben, bis er das Gefühl hat, dass es mit seiner Revolution weiter geht. Doch heute Abend, bevor sie sich in ihre Zelte mitten im Zentrum der 18-Millionen-Einwohner-Stadt Kairo zurückziehen, feiern sie noch. Sie wollen zeigen, dass sie im Kampf um die Erneuerung des Landes, den längeren Atem haben.