Stimmungsberichte aus den USA

Los Angeles bei Nacht

Der Spätsommer ist heiß und die "Jet Lag All Stars" sind unterwegs - für die gleichnamige Radiosendung und für geneigte Leserinnen und Leser. Einer unserer Kollegen ist gerade in L.A. und hat uns elektronische Postkarten inklusive akustischem Attachement und Fotos geschickt.

Liebe Jetlags,
Hier in Los Angeles frage ich mich, ob es eine Zukunft ohne Auto gibt. knapp vor Sonnenuntergang habe ich Kersu Dalal in Chinatown getroffen. Dalal ist Stadtplaner im Architekturbüro Johnson Fain. Er besitzt kein Auto und kann nicht Autofahren, er ist mein Experte für diese Zukunft. Er meinte, die Zukunft läge in der Verdichtung. Kersu übersiedelte führerscheinlos von Calcutta/Indien nach L.A. Seit zehn Jahren navigiert der gelernte Stadtplaner zu jeder Tag- und Nachtzeit mit Taxi, Bus-System (das hier "Metro" heißt) und mit der U-Bahn.

Ich habe Angelitos getroffen, die gar nicht wussten, dass es ein U-Bahnsystem in L.A. gibt. Die Busse fahren rund um die Uhr die Boulevards entlang, wo sie mehr als eine Umgebung - ein Area - durchqueren. Bei Nacht wird hier noch viel auffälliger, wie sehr die Stadt vom Automobilismus geprägt ist: Die Karavanen an Scheinwerfern und Positionslichtern sind wie die Spieglung der vom Tageslicht abgeschotteten und meist noch dunkel auftretenden Clubs. Im Gegensatz dazu ziehen die Busse in Los Angeles wie Schaufenster über die Boulevards, wie fahrende Bahnsteige, wenig anheimelnd doch Heimstätte für Pendler, Obdachlose, Nachtschwärmer, Drag Queens.

All diese Bilder habe in das Stück "Funky Cha" des in Cuba geborenen, doch seit den 1960er Jahren in L.A. ansässigen Conguero Francisco Aquabellas eingeklebt, der 2010 in L.A. verstarb und über den Dizzy Gillespie meinte: "Aguabella is the John Coltrane of the Conga Drums."

Gehabt Euch wohl!

Audio-Postkarte Nr. 1

Liebe Jetlags,
ich schick euch Grüße aus Los Angeles und "something with a uptempo that's positive". Dafür habe ich einen Experten hier getroffen: David Williams. Er ist Sänger Tänzer, Entertainer. Ihr müsst wissen, Los Angeles ist eine Stadt, die dir rät, zu wissen wer du bist. David Williams wuchs in South Central Los Angles auf. Da ist es und da war es immer wichtig zu wissen, wer man ist und wozu man da ist. Nach der High School ging er nach San Francisco, über den Gospelchor kam er zum Musiktheater, "Jesus Christ Super Star", "The Witz", "Hello Dolly" und solche Sachen.

David Williams wechselt gern von einer Seite des Spektrums zur anderen, zum Beispiel von Westhollywood nach Downtown. "Es ist alles da, es liegt nur daran, wen du kennst, und was du willst", sagte er unserem Postkartengespräch. Seit einigen Jahren wieder in Los Angeles verkörpert er Sammy Davis Jr. in Auftritten in Theatern und Kabarett-Lounges. Ich sah ihn im "Mirabelle's" am Sunset Strip, einem charmanten, ziemlich in die Jahre gekommenen Bar-Restaurant, er war Höhepunkt einer Show von Auftritten älterer Herren und Ladies in ihren 90ern.

An den Rand hab ich Euch noch ein paar Musiksamples mitgeschickt: zuletzt Willi Bobos "A Koko", aufgenommen am Sunset Boulevard 1970 und ein wenig frischen Downtempo mit Adrian Quesadas Projekt The Echozentrics (ist gerade frisch hier in L.A. released worden), zu Beginn natürlich Sammy Davis Jr.: "At the Crossroads" nach einem Californian Fusion Sample mit El Chicano aus 1976.

Gehabt Euch wohl!

Audio-Postkarte Nr. 2

Liebe Jetlags,
Wie geht's denn so? Meilenweit keine Menschenseele auf den Straßen: so sieht's aus in L.A.! Gestern Nacht so um zwei Uhr hab auf einer langen, langen Fahrt von Costa Mesa nach Venice Beach die Radioprogramme hier im Großraum Los Angeles durchgezappt. Die Straßen sind so schlecht, wie das Signal vieler Stationen begrenzt ist. Du schaffst es nicht, mit nur einem Sender die Nacht zu durchqueren.

In Costa Mesa habe ich Enrique Estrella besucht, er ist Geschäftsführer und Produktionsdirektor bei Ubiquity Records. Zu Ubiquity gehören auch die Lables Luv N' Haight und Cubop. Vor ein paar Jahren übersiedelten Ubiquity Records von San Francisco nach Costa Mesa (das liegt an der Küste südlich von Palm Beach noch im Großraum Los Angeles). Zwischen dem Geschäftssitz und dem Meer liegt allerdings mindestens ein Ölfeld. Eigentlich sollte ich ja Enrique Estrella in The Falls Lounge, einer trendigen Bar Downtown L.A. treffen, wo er seinen wöchentlichen Club The Movement hostet. Er war aber schon weg, da sein Heimweg so lange dauert. Was er auf seinen langen Autofahrten hört, und einige Details über die Radiolandschaft in L.A. hat er mit dann in seinem Label-Office erzählt. Anbei das Soundfile dazu.

Liebe Grüße!
Gehabt Euch wohl!

Audio-Postkarte Nr. 3