Wie sich die Positionen gewandelt haben

Koalitionsstreit: Vertauschte Rollen

Die Vermögenssteuer und die Wehrpflicht sind zwei beliebte Streitthemen zwischen Rot und Schwarz. Die Positionen wurden allerdings auch schon in vertauschten Rollen geboten - als die ÖVP die Wehrpflicht abschaffen wollte und ein SPÖ-Finanzminister die jetzt von seinen Parteifreunden so herbeigesehnte Vermögensteuer abgeschafft hat.

Mittagsjournal, 30.08.2011

SPÖ-Finanzminister kippte Vermögenssteuer

Eigentlich müssten die SPÖ-Strategen ihrem früheren Finanzminister Ferdinand Lacina dankbar sein. Der gestandene Sozialdemokrat hat in der Großen Koalition mit der ÖVP 1994 die Vermögensteuer abgeschafft - und der SPÖ bis heute Munition im Kampf um die Stimmen des kleinen Mannes verschafft.

SPÖ-Kanzler ließ Erbschaftssteuer auslaufen

Und auch ein SPÖ-Bundeskanzler hat sein Scherflein dazu beigetragen, dass die Partei in Sachen Vermögensbesteuerung heute aus allen Rohren schießen kann. Alfred Gusenbauer legte 2007, als der Verfassungsgerichtshof unter Beifall der ÖVP die Erbschaftssteuer gekippt hat, die Hände in den Schoß. Gusenbauer damals: "Wenn eine Steuer ausläuft aufgrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes, dann läuft sie aus."

Bewährtes Druckmittel

In der deutschen "Bild"-Zeitung warb Gusenbauer dann auch noch damit, dass man in Österreich völlig steuerfrei erben könne. Heute wirbt die SPÖ mit der Wiedereinführung von Erbschafts- und Vermögensteuer. Im Vorjahr hat sie damit der Pröll-ÖVP den Wind aus den Segeln genommen, jetzt wird auch der Druck auf die Spindelegger-ÖVP erhöht. SPÖ-Landesorganisationen planen ein Volksbegehren, der Wiener SPÖ-Chef Häupl ist neuerdings gleich für eine Volksbefragung zum Thema Vermögensteuern. Die ÖVP sagt dazu immer nur "nein".

ÖVP-Kanzler für Berufsheer

Nicht ganz so konsequent war die Volkspartei bei der Wehrpflicht. War es doch der ÖVP-Wendekanzler Wolfgang Schüssel, der sich im Jahr seines großen Wahlerfolgs 2002 für ein Berufsheer ausgesprochen hatte. Er wäre glücklich, wenn es zu einem Umstieg auf eine Profiarmee kommen könnte, so Schüssel damals.

Wahltaktische Manöver

Seine Nachfolger an der ÖVP-Spitze Pröll und Spindelegger versuchten und versuchen heute, den Umstieg auf ein Berufsheer abzuwehren - den die SPÖ fordert. Entstanden aus reinster Taktik im Wiener Gemeinderatswahlkampf, wie der Wiener SPÖ-Chef Michael Häupl im Oktober 2010 zugab: "Das nach der Wahl zu sagen, wäre wahrscheinlich eher eine verlorene Geschichte gewesen. Jetzt hat man die nötige Aufmerksamkeit", so Häupl.

180-Grad-Wende und Volksbefragung

Jedenfalls sprang die gesamte SPÖ-Spitze auf: Bundeskanzler Faymann ebenso wie Verteidigungsminister Darabos, für den drei Monate zuvor die Wehrpflicht noch in Stein gemeißelt war. Das hatte Darabos wörtlich im Interview mit der Tiroler Tageszeitung gesagt. Der ablehnenden ÖVP drohte man mit einer Volksbefragung. SPÖ-Chef Werner Faymann zu Jahresbeginn: "Wenn da eine Diskussion losgeht, dass einer für das eine und der andere für das andere Modell ist, finde ich es einen guten Weg, die Bevölkerung zu fragen."

Spindelegger aus Distanz

Die Pröll-ÖVP wollte sich auf dieses Spiel noch einlassen, doch der neue ÖVP-Obmann Michael Spindelegger ging auf Distanz zu einer Volksbefragung über die Wehrpflicht. Worauf der SPÖ-Chef als Termin dafür 2013 nannte - zeitgleich mit der Nationalratswahl. Er habe damit zum Ausdruck gebracht, dass die SPÖ jederzeit für eine Volksbefragung bereit sei, aber keinesfalls die Zusammenarbeit in der Regierung gefährden wolle, so Werner Faymann.

Neuer Schwenk

Seit dem Wochenende ist wieder alles anders. Faymann will die Volksbefragung über die Wehrpflicht jetzt doch lieber früher als später, wie er den Boulevard-Zeitungen verriet. Und Verteidigungsminister Darabos kündigt Pilotversuche zur Abschaffung der Wehrpflicht an, Koalitionsgefährdung hin oder her.

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