Mantel- und Degen-Filme à la Hollywood
Das "Swashbuckler"-Genre
Das Kino, heißt es immer, unterliegt Trends. Es wird das produziert, was das Publikum sehen will. Wenn dem so ist, dann gibt es eine Figur, die das Kino geprägt hat, wie kaum eine andere: der "Swashbuckler". So nennt man Helden, die mit Degen und losem Mundwerk entführte Jungfrauen befreien, Schätzen hinterher jagen und dabei den jeweiligen Gegenspielern mit einer Mischung aus Wahnsinn und Mut entgegen treten.
8. April 2017, 21:58
Vor acht Jahren bereitet "Fluch der Karibik" das Genre für eine neue Generation von Kinogängern auf. In dieselbe Kerbe schlägt jetzt die aktuelle Interpretation des bekanntesten "Swashbuckler"-Stoffs überhaupt: Alexandre Dumas' "Die Drei Musketiere". Unter der Regie des Briten Paul W. S. Anderson stürzen die rebellischen Edelmänner von einem Abenteuer ins nächste – und das, ganz dem Zeitgeist entsprechend, in fescher 3D-Optik.
Hirn, Herz und Heldenmut
Flotte Sprüche gehören zum Standard-Repertoire der "Swashbuckler". Denn Worte schneiden mindestens ebenso tief wie Schwerter - jedenfalls wenn es darum geht, Autoritäten zu verhöhnen. Und das machen "Die drei Musketiere" mit Vorliebe: dem intriganten Kardinal Richelieu und damit der rechten Hand des Königs sind die kampferprobten Männer nämlich ein Dorn im Auge - nicht zuletzt, da der Quasi-Regent an einem Plan arbeitet, um seine Heimat Frankreich und den ewigen Rivalen England in einen Krieg zu verwickeln. Aus den Trümmern der Nationen soll dann Richelieu selbst als starker Herrscher hervorgehen.
Seine Rechnung hat er allerdings ohne die Musketiere gemacht: Einem Schachspiel gleich, kontern sie die Züge des Kardinals und beweisen erneut, dass Geld und Einfluss nicht viel mehr wert sind als Hirn, Herz und Heldenmut.
Durchbruch für Douglas Fairbanks
Der französische Schriftsteller Alexandre Dumas verfasste "Die drei Musketiere" im 19. Jahrhundert. Für seinen Abenteuerroman greift er auf die Geschichte seines Landes zurück: Im 17. Jahrhundert sind die Musketiere nämlich eine kleine Einheit von Soldaten, die zu Fuß und zu Pferd auf Schlachtfeldern kämpfen. Da die Männer innerhalb der royalen Hierarchie wenig angesehen sind, bleibt ihnen nur eines: Sie gleichen ihr fehlendes Prestige mit mutigen Manövern und halsbrecherischen Attitüden aus, von denen schon bald der ganze Hof spricht.
Dumas' Roman wird für Hollywood zum Sinnbild des "Swashbuckler"-Genres: 1921 adaptiert ihn der amerikanische Filmpionier Fred Niblo zum ersten Mal für die große Leinwand und etabliert D'Artagnon-Darsteller Douglas Fairbanks als ersten "Swashbuckler"-Star der Traumfabrik. "Zorro", "Die Drei Musketiere" und "Robin Hood": Diese drei Fairbanks-Filme prägen das Bild des "Swashbuckler"-Films bis heute.
Die Regisseure bauen in ihren Stummfilmen auf die Akrobatik der Hauptdarsteller und die häufig atemberaubend koordinierten Degenkämpfe, aus denen der Held natürlich siegreich hervorgeht und mit der nunmehr befreiten "damsel in distress" gen glückliche Zukunft reitet.
Posterboy Errol Flynn
An der Grundstimmung der "Swashbuckler" ändert sich auch Mitte der 1930er Jahre nichts, als es zur zweiten großen Aufbäumung des Genres kommt. Während Stummfilm-Star Douglas Fairbanks vom aufkommenden Tonfilm in die Knie gezwungen wird, fechtet sich ein anderer junger Mann in die Herzen der Zuschauer: gleich mit seiner ersten Hauptrolle in "Unter Piratenflagge" avanciert der ebenso charismatische wie athletische Errol Flynn 1935 zum Superstar und zum "Swashbuckler"-Posterboy.
Mit Regisseur Michael Curtiz führt er das Genre in den Folgejahren zur Blüte: Die Abenteuerfilme "Die Abenteuer des Robin Hood" und "Der Herr der sieben Meere" gelten noch heute als früher Höhepunkt des technisch wie künstlerisch ausgereiften Spektakelkinos.
Der Zorro des Antonio Banderas
In den folgenden Jahrzehnten tut sich das "Swashbuckler"-Genre schwer, die früheren Erfolge zu wiederholen: Die B-Movie-Kultur und später der Zusammenbruch des Hollywood-Studiosystems versetzen den eskapistischen Abenteuerfantasien den finalen Dolchstoß. Mitte der 1970er Jahre unternimmt der Amerikaner Richard Lester einen ersten erfolgreichen Wiederbelebungsversuch, in dem er "Die drei Musketiere" als knapp an der Selbstparodie entlang schrammende, poppige Kostümkomödie auslegt.
Erst in den 1990er Jahren kommt es zur Renaissance des "Swashbuckler"-Kinos. Ausgehend vom Welterfolg von Disneys "Die drei Musketiere" im Jahr 1993 setzt Hollywood wieder verstärkt auf historische Abenteuerfilme und romantische Helden. Antonio Banderas legt die Augenmaske des Zorro an, während sich Leonardo Di Caprio als "Mann in der eisernen Maske" nebst Musketieren durch das Frankreich des Sonnenkönigs schmachtet. Den kommerziellen Höhepunkt erreichen die neuen "Swashbuckler" allerdings erst 2003 mit der Veröffentlichung von Gore Verbinskis Fantasy-Abenteuer "Fluch der Karibik".
Captain Jack Sparrow
"Fluch der Karibik" basiert auf einer Disney-World-Attraktion und gibt sich auch ansonsten postmodern: Neben Orlando Blooms klassischer Heldenfigur punktet vor allem Johnny Depps windiger Kapitän als Parodie auf die "Swashbuckler" von gestern beim Publikum. Drei Fortsetzungen später erfreut sich die Filmreihe immer noch ungebrochener Beliebtheit und lädt die Konkurrenz zum Imitieren ein.
Auch die aktuelle 3D-Fassung von "Die drei Musketiere" wirkt streckenweise wie ein weiterer "Fluch der Karibik"-Film, aber der britische Genre-Regisseur Paul W. S. Anderson versetzt seine unter anderem mit Christoph Waltz und Milla Jovovich besetzte Abenteuergeschichte mit genügend Dialogwitz und Action, dass man sich dann doch an Douglas Fairbanks und Errol Flynn erinnert. Manchmal schmunzelnd. Manchmal wehmütig.