Alte Streitthemen statt Zukunftsfragen
Wahlkampfklima in der Koalition
Statt über beschlossene Themen zu diskutieren, streitet die Koalition über die bekannten Bruchlinien. Vor allem die SPÖ versucht derzeit Alles, um ihre Themen zu positionieren. Politologen sehen darin bereist eine Wahlkampfstrategie. Parteienberater würden eher den Blick in die Zukunft empfehlen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 31.08.2011
Neues Motto?
Mit dem Slogan "Genug gestritten" ist Werner Faymann im Jahr 2008 in die Wahl gegangen und hat gewonnen. Jetzt lautet das Motto offenbar "Mehr streiten" - um Profil zu gewinnen. SPÖ-Chef Werner Faymann ist dabei in der komfortablen Position, dass die Angriffe gegen den Koalitionspartner aus den Ländern kommen. Er selbst kann sich koalitionstreu zeigen.
Rennen um den Kanzler
Politikberater Thomas Hofer sieht hier die ersten Vorbereitungen bei der SPÖ in Richtung Wahltag - auch wenn der erst irgendwann im Jahr 2013 ist. Die ÖVP sei schon länger in einer Krise und werde als Dritte unter Österreichs Parteien wahrgenommen. Und das könne der SPÖ nicht unrecht sein: Es würde zur Zuspitzung auf das Duell FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gegen Faymann kommen. Die ÖVP wäre aus dem Rennen um den Kanzler, analysiert Hofer.
Vorteil auf SPÖ-Seite
Dennoch sei diese Strategie riskant, sagt Politikwissenschaftler Peter Filzmayer. Sie kann funktionieren, muss aber nicht. Egal wie - in der komfortableren Position sind die SPÖ und Werner Faymann jedenfalls derzeit: Sie hätten ein Wahlkampfszenario im Hintergrund und könnten die ÖVP immer wieder mit Vermögenssteuer und Wehrpflichtdebatte in die Defensive drängen - eine "Win-Win-Situation", so Filzmayer: "Entweder die ÖVP lenkt ein oder man diskutiert bis zum Wahltag. Im Extremfall ist das auch der Tag der Volksbefragung über Vermögenssteuer und/oder Wehrpflichtdebatte."
Neuwahl keine Lösung
Auf eines sollte die SPÖ dabei aber nicht setzen: Nämlich so wie im Jahr 2008 die ÖVP so lange ärgern, bis diese die Koalition auflöst, um dann mit den Grünen zu regieren. Das werde sich rechnerisch wohl nicht ausgehen, meint Filzmayer. Und jetzt Neuwahlen anzustreben, um dann wieder nur mit der ÖVP koalieren zu können, weil man die FPÖ als Partner ausschließt, das mache wenig Sinn.
Lieber in die Zukunft schauen
Die Regierung sollte jetzt lieber auf die Erfolge etwa die überstandene Wirtschaftskrise hinweisen, meint Ex-SPÖ Berater Josef Kalina. Und die aktuelle Debatte drehe sich doch auch ein bisschen darum, Positionen für die Zukunft festzumachen. Und auch Heidi Glück, ehemalige Büroleiterin von Wolfgang Schüssel, will lieber in die Zukunft schauen: Die SPÖ versuche, nach "einer öden politischen Sommerpause das Gesetz des Handelns zu ergreifen." Die Regierung sollte sich jetzt auf "Harmonie und Problemlösung konzentrieren, um das verloren Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen und ihren Konkurrenten Strache möglichst klein halten", sagt heidi Glück.