Keine klare Verurteilung

Gaza-Flotte: UNO-Bericht verärgert Türkei

Im Mai 2010 stürmten israelische Truppen einen Schiffsverband mit Hilfe für den Gazastreifen. Neun türkische Besatzungsmitglieder wurden getötet. Ein UNO-Bericht kommt zum Schluss, dass die israelische Blockade legal gewesen sei, aber die Einsatzkräfte überzogene Gewalt angewendet hätten. Für die Türkei ist das eine diplomatische Niederlage, die die Spannungen mit Israel vergrößern dürfte.

Mittagsjournal, 02.09.2011

Keine klare Verurteilung

Wenn der lange erwartete UNO-Bericht tatsächlich so ausfällt wie die New York Times das behauptet, dann bedeutet das für die Türkei einen schweren Rückschlag, wenn nicht sogar eine Blamage. In Ankara hatte man gehofft, dass der Bericht den Angriff Israels auf das türkische Hilfsschiff klar und ohne Wenn und Aber verurteilen würde. Das scheint nun nicht der Fall zu Fall zu sein.

Keine Entschuldigung zu erwarten

Dass Israel sich für die Erschießung von neun türkischen Staatsbürgern offiziell entschuldigt und, wie von der Türkei gefordert, Entschädigung zahlt, erscheint nach dem eher milden UNO-Bericht unwahrscheinlich. Damit sieht sich die türkische Regierung nun gezwungen, ihre mehrfach ausgesprochene Drohung wahr zu machen und die Beziehungen zu Israel gänzlich einzufrieren.
Genau das wollte man in Ankara aber vermeiden. Deshalb hatte die Türkei ein halbes Jahr lang auf Drängen Israels zugestimmt, die Veröffentlichung des UNO-Berichts immer wieder zu verschieben. Israels Premierminister Netanyahu hatte Erdogan ausrichten lassen, er würde sich ja gerne offiziell entschuldigen, könne dies aber gegen seinen noch weiter rechts stehenden Außenminister Liebermann zur Zeit nicht durchsetzen.

Erdogan hat einen Geheimplan

Der türkische Regierungschef hatte seinerseits gehofft, dass die herannahende Veröffentlichung des Berichts Israel zum Einlenken zwingen würde. Dass dieser Bericht nun vorzeitig von einer Zeitung lanciert wird, und dass er noch dazu so israelfreundlich ausfällt, lässt die sonst so selbstsichere Türkei auf einmal als Papiertiger dastehen, vor allem in der islamischen Welt, wo die israelische Attacke auf das türkische Gaza-Hilfsschiff besonders heftige Reaktionen ausgelöst hatte. Erdogan muss sich also schnell etwas einfallen lassen, um seine diplomatische Niederlage wieder in einen Erfolg zu verwandeln. Einen möglichen Geheimplan hat er schon vor dem Sommer durchsickern lassen: Er könnte von Ägypten aus nach Gaza einreisen und sich dort als Fürsprecher der Palästinenser feiern lassen. Doch ob das der türkischen Außenpolitik wieder mehr Einfluss bringen würde, bleibt abzuwarten.

Was im Bericht steht

Ein UNO-Gremium unter dem früheren neuseeländischen Ministerpräsidenten Geoffrey Palmer beschäftigte sich seit mehr als einem Jahr mit der Sache, konnte aber auch keine eindeutige Meinung finden. So steht in dem Bericht, dass die Blockade zwar legal gewesen sei, aber die israelischen Einsatzkräfte überzogene Gewalt angewendet hätten, und zwar ohne vorherige Warnung. Den Besatzungsmitgliedern auf dem Schiff wird wiederum vorgeworfen, gewalttätigen Widerstand geleistet zu haben. Allerdings waren in dem UNO-Gremium auch jeweils ein türkischer und ein israelischer Vertreter, und beide haben eine abweichende Meinung zu dem Bericht hinzugefügt. Der israelische Teilnehmer schreibt, die Truppen hätten sich nur selbst verteidigt. Der türkische Teilnehmer hält an der Position fest, dass die Blockade überhaupt illegal gewesen sei.

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