Buch in Erinnerung an Helmut Qualtinger

Quasi Herr Karl

"Vor 50 Jahren sorgte "Der Herr Karl" für einen Skandal, vor 25 Jahren starb Helmut "Quasi" Qualtinger." So die beiden Anlässe, die Georg Biron seinem Buch "Quasi Herr Karl" voranstellt, das demnächst im Verlag Braumüller erscheint.

Der Schriftsteller, Schauspieler, Drehbuchautor und langjährige Qualtinger-Wegbegleiter untersucht darin die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte jener Figur, die Ende 1961 mit Hut, Hitlerbärtchen und Arbeitsmantel auf den österreichischen Fernsehschirmen erschien und schlagartig zum Aufreger wurde. "Die Behaglichkeit im Blick und die Selbstzufriedenheit der Ignoranz in jeder Geste", berichtete Herr Karl, so Georg Biron, von seinem jahrzehntelangen Mitläuferdasein.

Indem der fiktive Magazineur eines Wiener Delikatessengeschäftes die unbewältigte Nazivergangenheit der Österreicher offenlegte, erschütterte er das österreichische Nationalbewusstsein - und zog eine bis dahin ungesehene Hassliebe des Fernsehpublikums auf sich. Nicht nur inhaltlich, sondern auch ästhetisch revolutionär war der von Helmut Qualtinger und Karl Merz ersonnene Fernsehmonolog, bei dem die Kamera konstant auf das Gesicht des einzigen Darstellers gerichtet blieb. Nichts sollte, so beschrieb es Qualtinger selbst, "den Zuschauer vom Text ablenken."

Die Vorbilder der Figur

Das Diabolische des Herrn Karl blitze hervor, wenn er im Dialekt rede, sagt Georg Biron. Für die Recherche zu seinem Buch beschäftigte er sich auch mit den lebenden und literarischen Vorbildern zur Figur. Insbesondere bedienten sich Qualtinger und Merz beim Schreiben des "Herrn Karl" der Ausdrucksweise ihres Stammwirtes Hannes Hofmann, der zwischen 1947 und 1969 die Delikatessenhandlung "Gutruf" in der Milchgasse besaß. Inhaltlich stand dieser jedoch keineswegs Pate: Er war kein Nazi, sondern Jude. Ein Interview, das Biron in den 1990er Jahren mit dem zurückgezogen an der Wiener Peripherie lebenden "alten Gutruf" führte, ist auf einer dem Buch beigelegten CD zu hören.

In "Quasi Herr Karl" betätigt sich Georg Biron jedoch nicht nur als Quellenforscher, sondern erzählt auch unterhaltsam von seiner schon in früher Kindheit einsetzenden Bewunderung für Helmut Qualtinger. Und von seiner eigenen Laufbahn als Schriftsteller, die von Anbeginn durch sein gewichtiges Vorbild geprägt war. Zu seiner ersten Erzählung, "Bosch", ließ er sich durch Qualtingers Interpretation des Henri-David-Thoreau-Pamphlets "Vom Ungehorsam gegen den Staat" inspirieren. 1979 erhielt er dafür den Theodor Körner Preis für Literatur. Und finanzierte mit dem Preisgeld seine erste eigene Wohnung in der Wiener Innenstadt.

Der Erfolg - ein "Missverständnis"

In der Wiener Innenstadt, erzählt Biron, fanden im Lauf der Jahre zahlreiche Begegnungen mit Helmut Qualtinger statt - einige, die von seiner Alkoholsucht, aber auch viele, die von seinem Genius geprägt waren. Obgleich das "Stimmwunder" Qualtinger ein ganzes Theaterensemble in sich trug, wurde er von der breiten Masse seiner Verehrer beharrlich auf die Figur des "Herrn Karl" reduziert. Er selbst bezeichnete seinen großen Erfolg, so Biron, als ein Missverständnis.

"Mit Helmut Qualtingers Tod", schrieb im September 1986 ein Kommentator der ARD, sei "eine Stimme für immer verstummt, die viele gern zum Schweigen gebracht hätten". Letztlich, meint Georg Biron, sei mit ihm auch ein großer "österreichischer Widerstandskämpfer" verschwunden - ohne einen adäquaten Nachfolger zu hinterlassen.

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Georg Biron, "Quasi Herr Karl", Braumüller Verlag

Braumüller - Quasi Herr Karl