Ziel: Beitrittsverhandlungen
Serbien startet EU-Offensive
In Belgrad beginnt die Regierung mit einer großen politischen EU-Offensive. Ziel ist es, mit Jahresende den Status eines Beitrittskandidaten aber auch einen konkreten Termin für den Beginn der Beitrittsverhandlungen zu erreichen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 09.09.2011
Den Auftakt dazu macht das EU-Serbien-Forum, an dem der Präsident des Europäischen Rates, Herman van Rompuy, führende Vertreter aus vielen EU-Staaten sowie die gesamte serbische Staatsführung teilnehmen werden. Ziel Serbiens ist es, seine Reformen auf dem Weg Richtung EU zu präsentieren. Die oberste Zuständigkeit für die EU-Annäherung liegt in Belgrad beim stellvertretenden Ministerpräsidenten Bozidar Djelic.
Europatour im Herbst
Der 46-jährige Bozidar Djelic ist seit 2007 stellvertretender Ministerpräsident zuständig für die EU-Integration. Im Herbst wird der kleingewachsene, drahtige, schwarzhaarige Djelic viele EU-Mitglieder besuchen, um gutes Wetter für Serbien zu machen. Besonderes Augenmerk legt die EU am Balkan auf den Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität. Dabei hat Serbien durchaus Erfolge vorzuweisen. Eine Kronzeugenregelung besteht seit Jahren, und die Modernisierung der Polizei macht Fortschritte.
In diesem Sinne verweist Bozidar Djelic auf spektakuläre Fahndungserfolge: „Die Zerschlagung einiger Drogenringe wie des Saric-Klans, der nicht nur regionale sondern auch globale Bedeutung hatte, ist eine Realität. Das Eigentum des Drogenrings wurde eingezogen, in einer seiner Villen ist heute ein Kindergarten untergebracht, und der Rest seines Eigentums wird verkauft. So wird auch die wirtschaftliche Macht vernichtet, die aus dem Drogenhandel entstanden ist.“
Viele Fortschritte
Möglich wurden diese Erfolge durch intensive internationale Zusammenarbeit, und der serbischen Polizei bescheinigen ausländische Kollegen durchaus Professionalität. Anderseits können Autofahrer bei Verkehrskontrollen regelmäßig erleben, dass Korruption auch bei der Polizei noch ein großes Thema ist. Doch für den Kandidatenstatus müssten die Reformen reichen, obwohl etwa bei der Justiz noch viel zu tun bleibt.
Doch Serbien bemüht sich sichtbar, um neue EU-taugliche Institutionen. Dazu sagt Bozidar Djelic: „Serbien hat bereits eine Behörde für landwirtschaftliche Zahlungen aus der EU gebildet und arbeitet mit europäischen Experten zusammen, um sicherzustellen, dass die Auszahlung auf transparente Weise erfolgen und das Geld in die richtigen Hände kommen wird. Damit soll Missbrauch vermieden werden, der in einigen EU-Staaten festgestellt worden ist.“
EU-Geld für Infrastruktur
Binnen zehn Jahren hat Serbien von der EU fast 7 Milliarden Euro erhalten, davon 3,6 Milliarden als Finanzhilfe. Viel Geld wurde in die Verbesserung der Infrastruktur gesteckt, vom Stromnetz über Telefon und Internet bis hin zu Straße und Schiene. Doch die Autobahn von der ungarischen Grenze bis Belgrad ist trotz leichten Geländes noch immer nicht fertig, und das zeigt administrative Schwächen auf. Anderseits hat Serbien so Schlüsselreformen vollzogen; dazu zählen ein neues Gesetz zur Wahl der Abgeordneten, deren Unabhängigkeit gestärkt wurde. Als vorletztes Land des ehemaligen Jugoslawien soll bis Ende September nun auch ein Gesetz über die Rückgabe von Eigentum verabschiedet werden, das die Tito-Kommunisten nach dem Zweiten Weltkrieg enteigneten.
Dazu sagt Bozidar Djelic: „Zwei Milliarden Euro werden für die Entschädigung bereit gestellt; das sind sechs Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Serbiens. Und wir haben uns während der öffentlichen Debatte, wirklich bemüht, die Möglichkeiten für eine Naturalrückgabe so stark wie möglich zu erweitern. Das tun wir nicht wegen der EU, sondern um zu zeigen, dass wir ein Land sind, das das Recht auf Eigentum achtet. Doch natürlich ist es nicht möglich, alle zufrieden zu stellen.“
Kosovo noch offenes Problem
Grundsätzlich stehe die Restitution auch vertriebenen Volksdeutschen und anderen Minderheiten offen, sofern sie nicht mit den Besatzern kollaboriert haben, erläutert Djelic. Das Restitutionsgesetz ist die letzte große Rechtsnorm, die Serbien auf dem Weg zu Kandidaten-Status noch erfüllen muss.
Bei den politischen Bedingungen hat Serbien die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal abgeschlossen; bleibt als Stolperstein noch das schwierige Verhältnis zur ehemaligen Provinz Kosovo. Die Normalisierung der Beziehungen schreitet langsam voran; doch beim Kosovo wird Serbien wohl noch mehr Kompromissbereitschaft zeigen müssen, um im Dezember EU-Beitrittskandidat werden zu können.