Persönliche Angriffe der Chefs

"Zeitungskrieg" über ÖBB-Inserate

Was derzeit zwischen "Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter und "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner in ihren jeweiligen Blättern ausgetragen wird, geht weit über normale Konkurrenz zwischen Medien hinaus. Anlass ist die Berichterstattung über den möglichen Einfluss des früheren Infrastrukturministers Werner Faymann (SPÖ) auf die Inseratenvergabe der ÖBB.

Mittagsjournal, 19.09.2011

Historische Dimensionen

Unter dem Begriff "Wiener Zeitungskrieg" versteht man eigentlich einen Streit zwischen mehreren Tageszeitungen im Jahr 1958. Damals ging's um die "Presse", den "Kurier" und um den Einfluss auf zwei Boulevardzeitungen. Mit der jetzigen Auseinandersetzung zwischen den Tageszeitungen "Kurier" und "Österreich" hat der historische Konflikt jedenfalls eines gemein: Er richtet sich direkt an die Leser. Verteidigt wird in den Berichten und Kommentaren jeweils der eigene Standpunkt, der Gegner wird persönlich angegriffen.

Neue Energie in altem Konflikt

Der Streit hat sich schon im letzten Jahr entzündet, und zwar an dem Verdacht, dass mit Hilfe von Regierungsinseraten Geld bevorzugt an die "Kronen Zeitung", an die U-Bahnzeitung "Heute" und an die Tageszeitung "Österreich" fließe, im Tausch gegen wohlwollende Berichterstattung. Oder direkter formuliert: dass sich Politiker mit Steuergeld die passende Berichterstattung kaufen. Was alle Betroffenen zurückgewiesen haben, die Regierungsparteien aber immerhin zum Versprechen von mehr Transparenz bei der Inseratenvergabe gebracht hat. Neuen Schwung in der Debatte gab's dann letzte Woche durch den Vorwurf, Werner Faymann habe als Infrastrukturminister die ÖBB dazu gebracht, eine halbe Million Euro für eine Medienkampagne in der "Kronen Zeitung" auszugeben. Was Faymann als "Unsinn" bezeichnet.

Chefredakteur gegen "Österreich"

Allerdings hatten dann gleich mehrere Zeitungen ein offenbar inoffizielles Vorstandsprotokoll abgedruckt, das den Verdacht zu belegen scheint. Berichtet haben darüber in den vergangenen Tagen fast alle Medien - der "Kurier" allerdings besonders ausführlich: Am Samstag auf den Seiten 1 bis 5, samt Kommentar von "Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter, in dem er allgemein über Korruption und Medien in Österreich schreibt - allerdings die Tageszeitung "Österreich" besonders hervorhebt: Diese verbreite Jubelmeldungen über Faymann, gekauft mit Steuergeld.

Herausgeber gegen "Kurier"-Chefredakteur

Worauf die Zeitung "Österreich" wiederum am Sonntag mit dem Vorwurf kam, der jetzige "Kurier"-Chefredakteur hätte sich selbst um Aufträge der ÖBB bemüht. Und zwar für Lobbying bei ÖVP-Politikern - in seiner früheren Tätigkeit als Medienberater. Und hier wiederum ergänzt durch Herausgeber Wolfgang Fellner, der in seinem Kommentar schreibt: "Der vorgebliche Saubermann Brandstätter hat höchstpersönlich bei den ÖBB-Vorständen sein Handerl aufgehalten."

Brandstätter wiederum wirft Fellner vor, bewusst die Unwahrheit zu schreiben und falsche Behauptungen aufzustellen. Es ist nicht der erste Schlagabtausch zwischen den beiden Herren: "Fäkalniveau" warf Brandstätter Fellner vor einigen Wochen vor, nachdem der zuvor über wörtlich "journalistische Bettnässer" geschrieben hatte.

Der Wiener Zeitungskrieg von 1958 hat sich übrigens letztlich als Konflikt zwischen ÖVP und SPÖ um deren jeweiligen Einfluss auf die österreichischen Medien herausgestellt. Für die Öffentlichkeit wurde das freilich erst nach einiger Zeit im Rückblick deutlich.

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