Hoffnung auf Umschwung

Israels Arbeiterpartei hat neue Chefin

Die oppositionelle israelische Arbeiterpartei hat eine neue Vorsitzende. In einer Urwahl votierte die Mehrheit der Parteimitglieder für die ehemalige Journalistin Shelly Yachimowitsch. Nun hofft die auf den fünften Platz zurückgefallene Arbeiterpartei auf frischen Wind.

Mittagsjournal, 22.09.2011

Signale für Aufbruch

"Gute Nacht, und guten Morgen Arbeiterpartei" - das ist die neue Stimme der israelischen Sozialdemokratie, Shelly Yachimowitsch am Ende der Siegesrede vor ihren Anhängern. Die Prognosen haben gestimmt. Nur sechs Jahre nach ihrem Einstieg in die Politik ist die ehemalige Radio- und Fernsehjournalistin tatsächlich Vorsitzende der traditionsreichsten israelischen Partei. Yachimowitsch hat bei der Stichwahl 54 Prozent der Stimmen bekommen, deutlich mehr als die 46 Prozent ihres Rivalen Amir Peretz. Der frühere Gewerkschaftsboss war schon einmal Parteichef gewesen, er machte dann als Verteidigungsminister im Libanon-Krieg 2006 eine klägliche Figur. Wäre Peretz wieder an die Spitze der Partei berufen worden, dann hätte das wohl eher einen Rückfall in schlechte Zeiten als einen Aufbruch signalisiert.

Nutzen der Protestenergie

Yachimowitsch bringt als Startvorteil mit, dass sie mit 51 Jahren relativ jung ist, und dass sie eine Frau ist – die erste Frau im Chefsessel der Arbeiterpartei seit der legendären Golda Meir in den 1970er Jahren. Und Yachimowitsch liegt im Trend der Zeit. Über den Sommer sind durch die sogenannten Zeltproteste wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen in Israel dominant geworden – die teuren Wohnungen und Lebensmittel, die Macht der superreichen Unternehmer. Genau das waren aber von jeher die Themen von Yachimowitsch. Sie gilt als die Politikerin, die die Protestenergie für sich ausnützen und den Zorn der jungen Leute in Mandate umsetzen könnte. "Mit euch können wir eine bedeutende Veränderung in der israelischen Gesellschaft erreichen", sagt sie. Der Sprechchor antwortet im Ton der Sommerdemonstrationen: "Das Volk hat die soziale Gerechtigkeit gewählt."

Von Macht weit entfernt

Freilich, die Partei, die Yachimowitsch übernimmt, sah zuletzt aus wie ein Trümmerhaufen. Bei den Wahlen 2009 war sie mit nur 13 Mandaten zu einer Kleinpartei herabgesunken, und nach einer Spaltung sind ihr gar nur mehr acht Mandate übrig geblieben. Im Jänner hatte der damalige Parteichef, Verteidigungsminister Ehud Barak, plötzlich seinen Austritt verkündet und eine neue Partei gegründet - eben diese Spaltung hatte die internen Wahlen notwendig gemacht. Aber die jüngsten Umfragen können Yachimowitsch Mut machen. Demnach wäre die Arbeiterpartei jetzt wieder ungefähr so stark wie die größte Oppositionspartei Kadima. Die hat unter ihrer Chefin Zipi Livni über das letzte Jahr ständig an Popularität verloren. Eine Rückkehr an die Macht bleibt indessen vorläufig ein Traum – denn der rechtskonservative Likud von Premier Benjamin Netanjahu liegt mit großem Abstand in Führung.

Übersicht

  • Naher Osten