Kandidaten für Parlamentswahl fixiert

Parteitag von Putin-Partei in Russland

In Moskau beginnt heute der Parteitag der Regierungspartei Einiges Russland, auf dem die Kandidaten für die Parlamentswahl in zwei Monaten bestimmt werden. Der Parteitag wird mit Spannung erwartet, Premier Wladimir Putin und Präsident Dimitri Medwedew dürften hier ihre Pläne für die Zukunft bekanntgeben.

Morgenjournal, 23.9.2011

Markus Müller aus Moskau

Nur 20 Prozent zur Wahl?

Stell Dir vor, es sind Wahlen und keiner geht hin: Das ist aus heutiger Sicht das wahrscheinlichste Szenario für die russischen Parlamentswahlen am 4. Dezember. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Levada geben gerade 20 Prozent der Russen an, sicher und auf jeden Fall ihre Stimme abzugeben.

"Nur Imitation von Wahlen"

Noch kleiner der Anteil derer, die glauben, dass sie eine echte Auswahl haben: Nur vier Prozent glauben, dass die Wahl vollständig frei und fair ablaufen wird. Kein Wunder, sagt Wladimir Ryschkow, langjähriger Duma-Abgeordneter und politischer Kommentator.

"Wie soll man Wahlen frei und fair nennen können, wenn die Opposition daran nicht teilnehmen kann und das Fernsehen vollständig unter Kontrolle ist? Bei uns findet nur eine Imitation von Wahlen statt, damit Russland nicht aus dem Europarat nicht ausgeschlossen wird und unsere Bürokraten frei nach Europa auf Urlaub fahren können", so Ryschkow.

"Blockflöten-Parteien"

Ryschkow rechnet damit, dass das Wahlergebnis massiv gefälscht wird: 60 Prozent muss Einiges Russland erreichen, das wurde vom Kreml informell als Ziel vorgegeben, in Umfragen liegt die Partei aber nur etwa bei 40 Prozent. Die anderen fünf Parteien, die bei der Wahl antreten, vergleicht Ryschkow mit den sogenannten Blockflöten-Parteien der DDR, die zwar auch im Parlament waren, das System aber nicht in Frage stellten.

"Putin hat das Sagen"

Erwartet wird, dass Präsident Medwedew am Parteitag bekannt geben wird, ob er bei der Präsidentschaftswahl kommenden März erneut antritt oder das Feld Putin überlässt. Auch das kann Ryschkow nicht ernst nehmen.

"Nur ein Ausländer kann die Frage stellen, wer von den beiden das Sagen hat. Fragen Sie wen auch immer: Einen Taxifahrer, eine Verkäuferin oder einen Fischer, und jeder wird sagen: 'Natürlich ist Putin der Chef.' Niemand hier nimmt Medwedew noch ernst. Wir haben nicht nur die Imitation eines Mehrparteiensystems, wir haben auch die Imitation eines selbstständigen Präsidenten", so Ryschkow.

Kandidatenliste wird erstellt

Beim heutigen Parteitag von Einiges Russland wird die Kandidatenliste für die Wahl erstellt, gleichzeitig finden auch die Parteitage der Kommunisten und der Liberaldemokraten statt. Der einzige Kandidat, der das Ergebnis bei den Wahlen hätte durcheinanderbringen können, war der Multimilliardär Michail Prochorow mit der Partei Rechte Sache.

Parteitag manipuliert?

Doch beim mehr als fragwürdigen Parteitag von Rechte Sache vorige Woche trat Prochorow aus seiner eigenen Partei aus und beschuldigte dann offen den Kreml, den Parteitag manipuliert zu haben.

"Schon jetzt, drei Monate vor der Wahl, können wir sagen, dass das eine Farce mit massiven Fälschungen sein wird", meint Ryschkow. Laut der Umfrage von Levada sieht das mehr als die Hälfte der Russen genauso.