Interview mit Kuratorin Lilli Hollein

Schwerpunkte der Vienna Design Week

Wien steht in den nächsten zehn Tagen im Zeichen des Kreativen. Die Vienna Design Week breitet sich mit über hundert Veranstaltungen in der Stadt aus. Besonders der zweite Bezirk und Polen als Gastland stehen im Mittelpunkt. Im Interview erläutert die Kuratorin Lilli Hollein, weshalb der zweite Bezirk für Designer interessant ist.

Kulturjournal, 30.09.2011

Viele internationale Kontakte

Am Donnerstag, 29. September 2011 wurde im Liechtenstein Museum die fünfte Vienna Design Week eröffnet. Bei einer "Pressesafari" am Vormittag durch die Leopoldstadt, wo der Schwerpunkt des zehntägigen Veranstaltungsreigens stattfindet, zog die veranstaltende Neigungsgruppe Design eine zufriedene Bilanz über die bisherigen Aktivitäten und bot einen kursorischen Einblick in ein buntes Programm: Zu mehr als 100 Veranstaltungen werden an die 30.000 Besucher erwartet. Im Vorjahr zählte man 26.000 Design-Interessierte. Gastland ist heuer Polen.

"Wir haben erreicht, Wien auf die internationale Design-Landkarte zu setzen", sagte Lilli Hollein im Gespräch mit der APA. "Wir werden als inhaltlich arbeitendes, experiment- und prozessorientiertes Festival wahrgenommen, was uns sehr von vielen anderen, produkt- und industrieorientierten Design-Veranstaltungen im Umfeld von Messen unterscheidet." Man habe viele Kontakte in die internationale Szene und zwischen Unternehmen und Designern knüpfen können. "Ein Großteil der Kooperationen, die wir gestiftet haben, mündet in Nachfolgeprojekte. Das ist unsere persönliche Erfolgsbilanz", freute sich die Co-Leiterin der Vienna Design Week über die erzielte Nachhaltigkeit.

Strukturen sollen erweitert werden

Ihre Kontakte und Erfahrungen will die "Neigungsgruppe Design" künftig nicht nur auf eine jährliche Design Week konzentrieren. "Wir bauen jedes Jahr ein Team auf und müssen es dann mit all' seinem Know How wieder ziehen lassen", umriss Holleins Kollegin Tulga Beyerle das Dilemma. In Zukunft will man als ganzjährige Netzwerk-Stelle arbeiten, schließlich organisiert man schon bisher auch "Embassy"-Auftritte bei Festivals im Ausland, zuletzt etwa in Belgrad und Sofia. "Wir werden bereits jetzt als internationale Anlaufstelle wahrgenommen. Doch dafür haben wir noch nicht die nötige Struktur und auch nicht die notwendige Finanzierung." Derzeit budgetiert man für die Vienna Design Week mit 460.000 Euro, rund 20 Prozent davon werden über Sponsoring aufgebracht.

Die Design-Woche präsentiert sich heuer überaus vielfältig, allerdings habe man verzichtet darauf, neue Angebots-Schienen zu entwickeln, schilderte Beyerle: "Das Festival hat eine Breite erreicht, wie sie gut ist. Wir wollten nicht vergrößern, sondern die Formate schärfen." Also gibt es etwa mehr "guided tours" als früher (Beyerle: "Viele Leute sind froh darüber, denn sie sind von der Fülle der Angebote überfordert"), wird im zweiten Bezirk zwar im schicken neuen "Stilwerk" im Jean-Nouvel-Tower am Donaukanal der diesjährige Infopoint errichtet, von dem auch die meisten Touren ihren Ausgang nehmen, liegt das Zentrum der Aktivitäten aber im etwas abseits gelegenen Viertel zwischen Taborstraße und Volkertmarkt.

Junge Designer in Fabriksräumen

"Wir suchen bewusst Orte, wo es noch nicht viel gibt, und versuchen, dort versteckte Qualitäten zu entdecken", so Beyerle. "Das ist auch genau das, was unser internationales Publikum total schätzt: Das Wien der Ringstraße kennen sie eh' alle." Heuer lockt die Vienna Design Week in leere Fabriksräume (wie etwa die von der James Dyson Foundation unterstützte "Debüt"-Ausstellung für Studierende und junge Designer in der Marinelligasse 3), in eine ehemalige Bäckerei, wo Vera Wiedermann im Rahmen einer "Carte Blanche" aus Strohballen, herumwirbelnden Getreidekörnern und Wodka in Sprühdosen eine originelle Installation zu "Unser täglich Brot" aufgebaut hat, oder in das vom Londoner Designbüro postlerferguson in der Großen Schiffgasse eröffnete temporäre "Cafe Sonja", das mit Ende der Design Week am 9. Oktober wieder schließen wird.

Dazu gibt es "grüne Interventionen" durch das "stadtpark"-Team am Volkertmarkt, ein Fotografieprojekt mit der Caritas Wien, beschäftigt sich "The Life of Others" von Greta Hauer und Delphine Rumo mit Tieren im urbanen Raum und gibt es jede Menge weitere Ausstellungen, Talks, Workshops, "Passionswege" und Veranstaltungen. Beim Studium des in einer Auflage von 45.000 Stück (5.000 davon auf Englisch) aufgelegten Programmfolders beschleicht einen die Befürchtung: Eine Woche kann sehr kurz werden.

Kulturjournal, 30.09.2011

Kurator Tido von Oppeln über "Totem and Taboo"

Ausstellung im MuseumsQuartier

Im Rahmen der Vienna design Week findet auch die neue Ausstellung "Totem and Taboo" im Wiener MuseumsQuartier statt. Sie setzt sich mit der Verwandtschaft von Kunst und Design auseinander. Gezeigt werden zeitgenössische Arbeiten internationaler Designer und Künstler die den ursprünglichen Verwendungszweck ganz alltäglicher Objekte neu deuten - verschmolzene Plastikstühle tanzen scheinbar miteinander, Ausschussware einer Glasmanufaktur wird zur künstlerischen Tafel.

Text: APA, Red.; Audio: ORF

Service

Fünfte "Vienna Design Week", Freitag, 30. September bis Sonntag, 9. Oktober 2011

"Totem and Taboo. Complexity and Relationships between Art and Design" im Rahmen der Vienna Design Week, Freiraum/quartier21 im MuseumsQuartier, Samstag, 1. Oktober bis Sonntag, 20. November 2011, täglich 10:00 bis 19:00 Uhr, Eintritt frei

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Totem and Taboo