Milde Variante des Mehrheitswahlrechts

Debatte über neues Wahlrecht

SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas spricht sich für eine Änderung des Wahlrechts aus. Ihr Vorschlag gegenüber der Tageszeitung "Die Presse": Die jeweils stimmenstärkste Partei soll knapp die Hälfte der Mandate bekommen. Dann gäbe es mehr Koalitionsmöglichkeiten als derzeit - nach heutigem Umfragestand zum Beispiel auch Rot-Grün.

Mittagsjournal, 06.10.2011

Mehr Auswahl

SPÖ-Parteibeschluss gibt es keinen für diesen Vorschlag, und Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas sagt auch, sie wisse, dass es innerparteilich gute Gegenargumente gebe. Aber als Politologin sei sie dafür, das Wahlrecht zu ändern. Die Folge: Die Nummer eins bekommt viel Macht, aber nicht so viel, dass sie auf einen Koalitionspartner verzichten kann. Aber sie hätte mehr Auswahl, könnte praktisch mit jeder der sonstigen Parlamentsparteien eine Koalition bilden.

Leichtere Partnersuche?

Rot-Grün wäre dann zum Beispiel nach derzeitigen Umfragen möglich. Rudas sagt aber, dass dies nicht das Kernziel ihres Vorstoßes sei. Denn sie wisse, wie schnelllebig die Politik und insbesondere Umfragen seien. Sie erhoffe sich aber schnellere Entscheidungsabläufe und "dass man leichter einen Partner findet, mit dem es inhaltlich passt."

Wissenschaftler: "Reform nötig"

Um ein abgemildertes Mehrheitswahlrecht geht es der SPÖ-Bundesgeschäftsführerin also, für das pikanterweise jemand aus Rudachs politischer Konkurrenz schon längere Zeit wirbt: nämlich der ehemalige ÖVP-Politiker Herwig Hösele. Und ebenfalls seit Jahr und Tag beschäftigt sich der Grazer Uni-Politikwissenschaftler und Jurist Klaus Poier mit diesem Thema. "Nur zu" sagt Poier: Eine institutionelle Reform sei nötig, um den gordischen Knoten zu durchbrechen. Die Klagen über mangelnde Effektivität und zu wenig demokratische Mitgestaltungsmöglichkeiten seien häufig und auch weitgehend berechtigt.

ÖVP: "Durchsichtiges Manöver"

Für die Einführung dieses Wahlrechts mit mehr Koalitionsmöglichkeiten als bisher braucht es allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat - und die ist nicht in Sicht: Die ÖVP spricht von einem durchsichtigen Manöver der SPÖ. Rudas wolle die Minderheit zur Mehrheit machen und das sei demokratiepolitisch unehrlich.

Opposition: "Nicht fair"

Auch alle drei Oppositionsparteien winken ab: Die Grünen sprechen von einer Verzerrung des Wählerwillens, da seien dann nicht alle Stimmen gleich viel Wert. Außerdem, so die Grünen, wäre der jeweils kleine Koalitionspartner dann nur fünftes Rad am Wagen, bei so viel Mandaten für die jeweils stärkste Partei. Auch die Freiheitlichen und das BZÖ lehnen den Vorschlag ab: Undemokratisch und nicht fair wäre so ein Wahlrecht, kommentieren sie.