SPD-Politker auf Wien-Besuch
Steinbrück für Schuldenschnitt
Der SPD-Politiker Peer Steinbrück war einst Regierungschef in Nordrhein-Westfalen und bis vor zwei Jahren deutscher Finanzminister. Er ist einer der beliebtesten Politiker des Landes. Im Zuge eines Wienbesuchs hat sich Peer Steinbrück gegenüber Journalisten unter anderem für einen Schuldenschnitt Griechenlands ausgesprochen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 07.10.2011
Kritik an Griechenlandhilfe
Peer Steinbrück kommt pünktlich - eine Stunde sieht sein Terminkalender vor und die nimmt er sich auch Zeit. Entspannt sitzt der Mann im dunklen Anzug und SPD-roter Krawatte im dunkelgrünen Ledersessel und fackelt nicht lange, wenn es gleich zu Beginn um Griechenland samt Folgen geht. Das Land sei nahezu insolvent, in den nächsten fünf bis acht Jahren könne es nicht auf die Kapitalmärkte zurückkehren. Den Politikern, die momentan das Sagen haben, attestiert Steinbrück, sie hätten keinen klaren Entwurf von Europa und würden ein schlechtes Krisenmanagement betreiben.
Für Schuldenschnitt
Helfen werde nur ein Bündel von Maßnahmen. Eine davon heißt Schuldenschnitt. Dieses Risiko sei kleiner als das des Durchwurstelns. Der Schaden für die Finanzbranche würde sich in Grenzen halten, denn die Bilanzen seien ohnehin schon korrigiert. Den Bürgern sei kaum zuzumuten, "dass sie immer die Dummen und Gelackmeierten sind." Wer sich verzockt habe, sagt Steinbrück, müsse eben auch mit dem Verlust leben.
Drastische Bilder
Für Griechenland sei neben dem Schuldenerlass wichtig, dass die Wirtschaft gestärkt werde. Ein Rettungsschirm nach dem anderen sei keine Lösung, dafür fehle bei den Menschen jedes Verständnis: "Was passiert, wenn Griechenland im März - rein hypothetisch sagt, wir brauchen noch einen dritten Schirm? - Dann fliegt uns der Laden um die Ohren." Und was passiert aus seiner Sicht, sollte die Slowakei in der kommenden Woche als einziges Euroland nein zum jüngsten Rettungsschirm sagen: "Wenn der Himmel einstürzt, sind alle Spatzen tot."
Zwei Jahrzehnte Rückschlag
Damit es dazu nicht kommt, appelliert er einmal mehr an die Politik, das Projekt Europa nicht aufs Spiel zu setzen: "Wenn die Währungsunion scheitert, wird die Europäische Integration um zwei Jahrzehnte zurückgeworfen." Die Politiker müssten den Menschen endlich Erklärungen liefern. Eine von Steinbrücks Begründungen lautet so: 60 Jahre Frieden und Wohlstand seien historisch gesehen ein privilegierter Ausnahmezustand: "Das ist nicht selbstverständlich. Ich erwarte von euch, dass ihr das kapiert."
"Für Zug im Kamin sorgen"
Eine Renationalisierung der Währung habe auch eine politische Renationalisierung zur Folge, so Steinbrück: Europa würde seinen Platz in der obersten Spielklasse verlieren. Daher müssten die EU-Mitglieder in vielen Bereichen enger zusammenarbeiten und Kompetenzen nach Brüssel abgeben. Wenn nicht gleich alle mitziehen wollen, dann sollten einige Länder nicht warten. Zum Beispiel bei der Finanztransaktionssteuer: "Wie wäre es wenn sechs bis acht Länder vorangehen würden - da wären Österreich und Deutschland dabei - und abwarten, wie sich andere Länder verhalten? Für Zug im Kamin sorgen, Geschwindigkeit vorgeben."
Keine Kandidatenfrage
Auf die Bremse tritt Peer Steinbrück, wenn es um die Frage nach dem nächsten Kanzlerkandidaten der SPD geht. Sein Name steht hoch im Kurs. Aber ihm stelle sich die Frage erst dann, wenn sie ihm vom Parteivorsitzenden der SPD gestellt würde, so Steinbrück. Er werde diese Debatte von sich aus nicht befeuern.
Grün statt schwarz
Klarer ist er, wenn es um den möglichen Koalitionspartner geht, wenn Deutschland in zwei Jahren den Bundestag wählt. Oben auf der Liste stehen die Grünen. Eine Neuauflage der Großen Koalition lehnt Peer Steinbrück ab. Die Erfahrungen als Finanzminister in der Unionsgeführten Regierung machen ihn da sicher.
Peer Steinbrück ist auf Einladung der Hypo Niederösterreich sowie des Renner Instituts in Wien. Der 64 Jahre alte gebürtige Hamburger ist mittlerweile zwar nur noch einfacher Abgeordneter, das ändert aber nichts an den hohen Sympathiewerten, die er bei den Deutschen genießt.