Experte: Regierungsvorlage abgeschwächt
"Lobbyistengesetz nun zahnloser"
Die Regierung sagt, das gestern beschlossene Lobbyistengesetz sei schärfer als der ursprüngliche Entwurf. Der Politologe und Antikorruptionsspezialist Hubert Sickinger widerspricht: In wichtigen Punkten sei die Regierungsvorlage sogar zahnloser geworden - zum Beispiel deshalb, weil nun die Auftraggeber von Lobbyisten im Verborgenen bleiben.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 12.10.2010
Wer ist der Auftraggeber?
Für den Politikwissenschaftler Hubert Sickinger ist das der entscheidende Schwachpunkt: Die Auftraggeber von Lobbyisten müssen zwar künftig auch gemeldet werden, aber Einsicht in diesen Teil des Registers haben nur die Auftraggeber selbst - und Politiker, auf die ein Lobbyist in dieser Sache zukommt. Die Nennung des Auftraggebers sollte aber verpflichtend sein, fordert Sickinger. "Ansonsten bringt das Register nicht mehr Transparenz als im gegenwärtigen Status."
Aktuelle Fälle
Bei Kammerfunktionären und Gewerkschaftern sei ja klar, für wen sie arbeiten, ebenso von bei einem Unternehmens-Lobbyisten, der etwa auf der Gehaltliste der Telekom stehe. Aber Sickinger verweist auf die aktuellen Fälle: "Nehmen Sie einen Herrn Hochegger, einen Herrn Maischberger, einen Herrn Mensdorff-Pouilly, das würde man nicht erfahren. Diese Herren müssten sich zwar registrieren, man würde aber nicht erfahren, wer ihre Auftraggeber sind. Genau das wäre aber das Interessante."
"Berufsverbot" vermieden
Noch dazu, wo die Stoßrichtung des Gesetzes ohnehin in Richtung Lobbying-Unternehmen und Einzel-Lobbyisten gehe, für die auf die Weg dieses Gesetzes quasi ein Berufsrecht geschaffen werde. Angestellte Lobbyisten von großen Unternehmen und Mitarbeiter von gesetzlichen und freiwilligen Interessen-Vertretungen würden mit diesem Gesetz ja eher sanft angefasst. Sickinger erklärt das damit," dass man kein Berufsverbot für Manager oder Angestellte von Interessenverbänden einführen wollte."
Was dürfen Abgeordnete?
Eine Folge daraus ist, dass nicht klar ist, ob für Abgeordnete ein völliges Lobbying-Verbot besteht oder nicht. Und das ist nicht unwichtig - waren doch der ÖVP-Europa-Abgeordnete Ernst Strasser und seine Lobbying-Versuche Auslöser für das Lobbyisten-Gesetz. Darin heißt es jetzt, dass etwa für Abgeordnete nur im jeweiligen Zuständigkeitsbereich ein Lobbying-Verbot gilt - und nicht generell. Hubert Sickinger würde das Gesetz lieber so interpretieren, dass es für die gesamte Abgeordnetentätigkeit gilt. Aber: "Da ist noch einiges offen, wie diese Bestimmungen tatsächlich zu verstehen sind."
Das Justizministerium versteht das Lobbying- Verbot auf Nachfrage anders als der Antikorruptionsexperte - nämlich eingeschränkt. Aber wie gesagt: Das Parlament kann das ja noch ändern.