Warum 1028 Menschen gerade jetzt freikommen

Druck bewirkt Gefangenenaustausch

Die israelische Regierung hat einem großangelegten Gefangenenaustausch zugestimmt: Die Hamas lässt den entführten Soldaten Gilad Shalit frei. Im Gegenzug wird Israel in den kommenden Tagen 1.027 palästinensische Gefangene freigeben. Die Vereinbarung ist großem Druck von allen Seiten und einer besonderen politischen Konstellation zuzuschreiben.

Mittagsjournal, 12.10.2011

Hubert Arnim-Ellissen und Ben Segenreich analysieren

Druck hat gewirkt

Einer gegen 1027: die Rechnung ist bemerkenswert. Der israelische Soldat Gilad Shalit war vor fünf Jahren bei einem Überfall auf israelischem Territorium in die Gewalt von Hamas-Kämpfern gekommen und seither im Gazastreifen festgehalten worden. Das letzte Lebenszeichen von ihm war eine Videoaufzeichnung vor zwei Jahren, die den bleichen jungen Mann gezeigt hat, für den in Israel ein engagierte Solidaritätsbewegung entstanden ist. Der Druck auf die Regierung Netanjahu zeigt Wirkung: In den Verhandlungen mit der Hamas haben Deutschland und Ägypten vermittelt, heute beginnt ein groß angelegtes Austauschprogramm.

Warum gerade jetzt?

Premier Netanjahu kann mit dieser Lösung national und international punkten. In Israel ist er jener Premier, der Shalit freibekommen hat, und im Ausland gilt er als Staatsmann, mit dem man verhandeln kann. Auf der anderen Seite ist die Hamas selbst in den Reihen der Palästinenser unter Druck. Und durch den Arabischen Frühling droht Syrien als Sponsor der Hamas wegzukippen. Mit dem Gefangenenaustausch kann die Hamas an Sympathie gewinnen.

Ein besonders wichtiger Faktor ist Ägypten - als Vermittler und als jene Station, über die der Austausch abgewickelt wird. Dort ist noch ein Regime an der Macht, das mit Israel ein halbwegs korrektes Verhältnis hat. Vielleicht gibt es diese Gelegenheit in ein, zwei Monaten nicht mehr. Mit den Nahost-Verhandlungen hat das weniger zu tun, das ist eher eine humanitäre Aktion

Prinzip vereinbart, Abwicklung dauert

Zunächst soll Shalit nach Ägypten geflogen werden, worauf 450 Palästinenser und 27 Palästinenserinnen freigelassen werden. Erst, wenn weitere 550 militante Palästinenser aus den israelischen Gefängnissen freigelassen worden sind, wird der Flug des Soldaten Shalit nach Israel in Aussicht gestellt. Erste Meldungen, dass dieses Austauschprogramm bereits durchgezogen ist, sind sicher verfrüht. Es wird sicher sehr lange dauern. So müssen erst die Namenslisten veröffentlicht werden. Außerdem gibt es in Israel ein gerichtliches Einspruchsrecht durch Terroropfer. Das ist eine komplizierte Logistik, die sich über mindestens einige Tage ziehen wird. Die letzte Tranche der palästinensischen Gefangenen soll überhaupt erst in zwei Monaten freikommen.

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