Rechtsgrundlage mangelhaft
Juristenkritik an U-Ausschüssen
Die Korruptionsanfälligkeit österreichischer Politik soll von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss durchleuchtet werden: In dieser Woche wird der Nationalrat den Auftrag zur politischen Aufarbeitung der Vorgänge zu Telekom, BUWOG, Blaulichtfunk beschließen. Allerdings kritisiert die Juristenkommission die unzulänglichen Rechtsgrundlagen für Untersuchungsausschüsse.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 17.10.2010
Gefahr der Behinderung
Die Juristenkommission ist eine Vereinigung prominenter Rechtsexperten aus allen Fachbereichen. Ihr Präsident ist Roland Miklau, pensionierter Strafrechtsektionschef des Justizministeriums. Als Demokrat hat er Verständnis für das Drängen mancher Politiker auf Untersuchungsausschüsse, als Straf- und Menschenrechtler aber die eine oder andere Sorge: "Wenn gleichzeitig strafrechtliche Ermittlungen laufen und ein Untersuchungsausschuss, besteht die Gefahr, dass sich diese beiden Verfahren gegenseitig behindern und stören."
Mit Staatsanwaltschaft abstimmen
Miklau sieht zweierlei Gefahren, wenn Politiker und dann auch die Medien Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaften sehr frühem Stadium in die Hände bekommen: Nämlich einerseits, dass berechtigte Geheimhaltungsinteressen von Zeugen und Beschuldigten verletzt werden - und andererseits, dass den Kriminalisten und Staatsanwälten die Aufklärung von Straftaten erschwert wird. Die allumfassende Idee zur Beseitigung dieses Dilemmas hat auch Justizexperte Miklau nicht, gesetzliche Regelung gibt es nach wie vor keine. Jetzt appelliert Miklau ans Parlament: Der Vorsitz des U-Ausschusses sollte sich mit der Staatsanwaltschaft abstimmen, welche Themenkomplexe zuerst untersucht werden, welche Akten gleich und welche erst später übermittelt werden sollen.
Telekom-Ermittlungen abwarten
Miklau nennt als Beispiel den Themenkreis Telekom, der ja - so die Politplanung - ganz am Beginn des nahenden Untersuchungsausschusses - behandelt werden soll. Und er "bezweifelt, dass das eine sehr gute Idee ist, weil seines Wissens in dem Verfahren keineswegs alle Bereiche von der Staatsanwaltschaft durchermittelt sind." Dieses Thema daher nach hinten zu Reihen wäre besser, meint der Präsident der Juristenkommission.
Vieles ungelöst
Ganz generell bedauert die Juristenkommission, dass aus den Parteienverhandlungen über ein neues U-Ausschuss-Recht bisher nichts geworden ist. Ungelöst sei nach wie vor vieles, stellt die Juristenkommission in einem dieser Tage erscheinenden Sammelband von Referaten fest. Zum Beispiel ab wie vielen Stimmen auch die Opposition einen U-Ausschuss einberufen darf, was dieser eigentlich genau prüfen darf, welche Rechte die sogenannten Auskunftspersonen und die in behördlichen Akten genannten Personen eigentlich haben - Stichwort Aktenschwärzungen. nach welchem Verfahren Streit im U-Ausschuss beigelegt wird. Viele juristische Unzulänglichkeiten also, dennoch sagt auch Jurist Miklau: U-Ausschüsse müssten sein, sie seien ein Teil des politischen Kampfes. Ein Kampf, von dem man sich aber wenigstens erwarten könne, dass er zivilisiert geführt wird, fügt Miklau hinzu.